Erst hatte die STIKO den Astra-Zeneca-Impfstoff nicht für ältere Menschen empfohlen. Jetzt ändert sie ihre Einschätzung. Basiert dieser Meinungswechsel auf wissenschaftlichen Daten oder politischem Druck?
Update: Lesen Sie auch unseren Beitrag vom 31.03.2021 „AstraZeneca nun doch nur für Ältere“.
Die erste Empfehlung der STIKO
Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts hatte den COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca (ChAdOx1) nur für Personen von 18 bis 64 Jahren empfohlen. Die Experten begründeten diese Entscheidung mit unzureichenden Daten für ältere Menschen.
Die Entscheidung wurde intensiv diskutiert. Es folgten mehrere Berichte, dass das Verimpfen des AstraZeneca-Impfstoffes nur langsam vorangehe. Als Gründe nannten die Medien Vorbehalte gegenüber dem Impfstoff und eine vergleichsweise kleine Zahl potenzieller Impfkandidaten unter 65 Jahren in der 1. Priorisierungsgruppe.
„Das Ganze ist irgendwie schlecht gelaufen“
Prof. Dr. Thomas Mertens, Vorsitzender der STIKO
Nun hat die STIKO angekündigt, ihre Empfehlung zu ändern. Die offizielle Stellungnahme soll am Mittwoch den 10.03.2021 folgen. Die STIKO begründet ihre Meinungsänderung mit neuen Studiendaten aus England und Schottland. Damit ist wahrscheinlich diese Publikation gemeint.
Die neuen Studiendaten
Es handelt sich um eine Beobachtungsstudie, die alle Personen im Alter ≥ 70 in England und Schottland umfasste, die sich aufgrund von Symptomen einem PCR-Test unterzogen. Bisher gibt es noch kein Review zum Beitrag. Er ist lediglich vorab als Preprint veröffentlicht.
Die Autoren berechneten die Chance (Odds) von Geimpften in verschiedenen Zeiträumen nach und vor ihrer Impfung, ein positives Testergebnis zu erhalten. Diese Chance setzten sie ins Verhältnis mit der Chance ähnlicher ungeimpfter Personen. Daraus errechneten sie das Quotenverhältnis (Odds-Ratio). Ein Odds-Ratio von 0,40 entspricht nach der Definition der Studie einer Effektivität von 60%.
Mit dem AstraZeneca-Impfstoff (ChAdOx1) zeigten sich erste Effekte ab Tag 14 bis 20 nach der ersten Dosis der Impfung. Im Zeitraum von Tag 28 bis 34 lag die Effektivität bei 60% und stieg dann weiter auf 73%. Daten zur Effektivität nach der zweiten Dosis gibt es noch nicht.
Kommentar
Die anfängliche Empfehlung der STIKO ist nachvollziehbar. Die EMA selbst hatte eingeräumt, dass die Daten eigentlich nicht ausreichen, um eine Wirksamkeit bei älteren Menschen zu belegen. Leider stehen die beiden alternativen Impfstoffe nicht unbegrenzt zur Verfügung und auch bei diesen ist die Datenlage für die Wirksamkeit bei älteren Menschen nicht gut.
Die neuen Ergebnisse aus England scheinen die Wirksamkeit des AstraZeneca-Impfstoffs bei älteren Menschen nun zu belegen. Es handelt sich jedoch um eine Beobachtungsstudie. Ergebnisse aus solchen Studien dienen normalerweise dazu, die Erkenntnisse aus den randomisierten kontrollierten Studien zu untermauern. Jetzt werden sie jedoch dazu verwendet, um etwas Neues zu beweisen. Außerdem darf man nicht vergessen, dass der Beitrag noch kein unabhängiges Review-Verfahren durchlaufen hat. Die Adjustierung könnte die Ergebnisse verfälscht haben und es gibt unzählige Faktoren, die man bei einem solchen Studiendesign bedenken muss, da sie zu Verzerrungen führen können.
Ehrlich gesagt, bin ich nicht qualifiziert, um diese Studie einordnen zu können. Normalerweise würde ich mich auf Experten wie die der STIKO verlassen. Allerdings sind diese aktuell unter enormem politischem Druck. Kann man in einer solchen Situation überhaupt noch objektiv sein?
Höchstwahrscheinlich handelt es sich beim Astra-Zeneca-Impfstoff um einen hoch wirksamen Impfstoff für ältere Menschen. Aber durch den Druck der Politik auf die STIKO behält ihre Entscheidung einen faden Beigeschmack. Wir brauchen gerade jetzt unabhängige Gremien in der Medizin, die Wirksamkeit und Sicherheit auf Basis von wissenschaftlichen Daten bewerten.