COVID-19; Originalbild: Eisenhans/Adobe Stock

Widersprüchliche Ergebnisse: Remdesivir bei mittelschwerem COVID-19

In einer Studie aus den USA verbesserte eine 5-Tage-Therapie mit Remdesivir den klinischen Status bei Patienten mit mittelschwerem COVID-19 statistisch signifikant im Vergleich zur Standardbehandlung. Patienten, die Remdesivir über 10 Tage erhielten, hatten 11 Tage nach Behandlungsbeginn allerdings keinen signifikant besseren klinischen Status als Patienten mit Standardbehandlung. Das verwundert.

Remdesivir bei COVID-19

Remdesivir ist ein Virustatikum, das ursprünglich zur Behandlung der Hepatitis und der Ebolainfektion entwickelt wurde. Die Substanz hat in einer randomisierten Studie bei Patienten mit schwerem COVID-19 ihre Wirksamkeit belegt. Ungeklärt ist aber, ob Remdesivir auch bei Patienten mit mittelschwerer Erkrankung wirksam ist. Das Virustatikum ist inzwischen in den Vereinigten Staaten und Europa zur Behandlung von COVID-19 zugelassen.

Internationale, randomisierte, offene Studie …

In eine kürzlich im JAMA veröffentlichten Studie zur Wirksamkeit von Remdesivir wurden hospitalisierte Patienten mit bestätigter SARS-CoV-2-Infektion mit respiratorischem Syndrom und mäßiger COVID-19-Pneumonie (Lungeninfiltrate und Sauerstoffsättigung der Raumluft >94%) eingeschlossen. Die randomisierte, offene Studie wurde zwischen dem 15. März und dem 18. April 2020 in 105 Krankenhäusern in den Vereinigten Staaten, Europa und Asien durchgeführt. Das Datum der letzten Nachuntersuchung war der 20. Mai 2020.

Die Patienten erhielten 1:1:1 randomisiert

  • eine zehntägige Therapie mit Remdesivir (n = 197),
  • eine fünftägige Therapie mit Remdesivir (n = 199) oder
  • eine Standardbehandlung (n = 200).

Remdesivir wurde am Tag 1 intravenös in einer Dosis von 200 mg und anschließend in einer Dosis von 100 mg/Tag verabreicht.

… liefert widersprüchliche Ergebnisse

Der primäre Endpunkt war der klinische Status der Patienten am Tag 11 auf einer 7-Punkte-Ordinalskala, die von Tod (Kategorie 1) bis Krankenhausentlassung (Kategorie 7) reichte. Die Unterschiede zwischen den Remdesivir-Behandlungsgruppen und der Standardbehandlung wurden mit proportionalen Odds-Modellen berechnet und als Odds-Ratio ausgedrückt. Von den 596 randomisierten Patienten erhielten 584 Remdesivir oder eine kontinuierliche Standardbehandlung. Das mittlere Alter betrug 57 Jahre und 227 Patienten waren Frauen. 56% hatten vorbestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 42% eine Hypertonie und 40% Diabetes mellitus. 533 Patienten (91%) beendeten die Studie. Die mediane Behandlungsdauer betrug 5 Tage für Patienten in der 5-Tage-Remdesivir-Gruppe und 6 Tage für Patienten in der 10-Tage-Remdesivir-Gruppe.

  • An Tag 11 hatten Patienten in der 5-Tage-Remdesivir-Gruppe eine statistisch signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für einen besseren klinischen Status als Patienten mit Standardbehandlung (Odds-Ratio 1,65; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,09–2,48; p=0,02).
  • In der 10-Tage-Remdesivir-Gruppe konnte man diesen Vorteil nicht erkennen. Der klinische Status der Patienten unterschied sich nicht signifikant von dem der Patienten unter Standardbehandlung (p=0,18; Wilcoxon-Rangsummentest).

Bis zum Tag 28 waren 9 Patienten gestorben: 2 (1%) in der 5-Tage-Remdesivir-Gruppe, 3 (2%) in der 10-Tage-Remdesivir-Gruppe und 4 (2%) unter Standardbehandlung. Übelkeit (10% vs. 3%), Hypokaliämie (6% vs. 2%) und Kopfschmerzen (5% vs. 3%) traten bei den mit Remdesivir behandelten Patienten im Vergleich zur Standardbehandlung häufiger auf.

Kommentar

Die randomisierte offene Studie aus den Vereinigten Staaten hat eine Reihe von Problemen. Es ist nicht logisch nachvollziehbar, warum eine Therapie mit Remdesivir über 10 Tage nicht wirksam sein soll, während sie über 5 Tage wirksam ist. Die Erklärung liegt wahrscheinlich darin, dass nur 38% der Patienten aus der 10-Tage-Remdesivir-Gruppe ihre Therapie beendeten.

Darüber hinaus leidet die Studie unter dem offenen Studiendesign. Es kann möglicherweise unterstellt werden, dass die Patienten in der Standardtherapie-Gruppe intensiver behandelt wurden, als die Patienten in den beiden Remdesivir-Gruppen. Interessant ist auch, dass für alle sekundären Endpunkte der Studie zwischen der 5-tägigen und der 10-tägigen Behandlung mit Remdesivir keine Unterschiede bestanden.

Es gibt nun drei randomisierte Studien zum Einsatz von Remdesivir bei COVID-19. Die erste Studie aus China konnte keine aussagekräftigen Ergebnisse liefern, was daran lag, dass sie vorzeitig abgebrochen und die geplante Patientenzahl nicht erreicht wurde. Die ACTT-1-Studie war größer und schloss Patienten ein, die entweder Sauerstoff benötigten oder intubiert werden mussten.

Insgesamt ist Remdesivir wahrscheinlich wirksam. Die Therapieeffekte sind in indirekten Vergleichen jedoch geringer als mit Dexamethason bei Patienten, die beatmet werden müssen.

Quelle

Spinner CD, Gottlieb RL, Criner GJ, Arribas López JR, et al. Effect of remdesivir vs standard care on clinical status at 11 days in patients with moderate COVID-19: a randomized clinical trial. JAMA 2020. Published online August 21, 2020. doi:10.1001/jama.2020.16349.

Autor

Foto Prof. Diener
Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener. Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE).