Schon seit Längerem wird diskutiert, ob der Einsatz von Antibiotika das Risiko für chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) im Kindesalter erhöht, doch die Datenlage ist nicht eindeutig. Forscher vom Karolinska-Institut aus Schweden haben nun den Zusammenhang zwischen Antibiotika-Therapie und CED mit Daten aus einer großen prospektiv angelegten Fall-Kontroll-Studie untersucht.
Darmflora und Gesundheit
Das Darmmikrobiom spielt für die Gesundheit eine wichtige Rolle, etwa bei funktionellen Magen-Darmerkrankungen. Antibiotika können die fragilen mikrobiellen Gemeinschaften stören und dauerhaft verändern. Bei bestimmten gastroenterologischen Erkrankungen wird das sogar gezielt ausgenutzt, indem man versucht, das Mikrobiom mit einem Darm-selektiven Antibiotikum günstig zu verändern.
Welche Rolle spielen Antibiotika für die Entwicklung chronisch entzündlich Darmerkrankungen?
Um den Einfluss einer Antibiotika-Gabe auf die Entwicklung einer CED genauer zu untersuchen, identifizierten die Forscher aus Schweden und den USA knapp 24.000 in Schweden lebende Personen ab 16 Jahren mit einer CED-Diagnose (16.000 mit Colitis ulcerosa, 8000 mit Morbus Crohn) und glichen die Daten aus der ESPRESSO-Studie (Epidemiology Strengthened by histoPathology Reports in Sweden) mit dem schwedischen Patientenregister und dem Register für verschriebene Arzneimittel ab. Die Patienten wurden mit etwa 117.000 Kontrollen aus der Allgemeinbevölkerung „gematcht“. Als zweite Kontrollgruppe dienten 28.000 gesunde Geschwister.
Je mehr Antibiotika, desto eher eine CED
Die Wahrscheinlichkeit, an einer CED zu erkranken, war höher in der Gruppe, die irgendwann in der frühen Kindheit Antibiotika erhalten hatte („jemals“) als wenn noch nie Antibiotika eingenommen wurden („nie“). Die adjustierte Odds-Ratio (aOR) „jemals“ versus „nie“ betrug
- 1,88 für eine CED allgemein
- 1,74 für Colitis ulcerosa
- 2,27 für Morbus Crohn
Das Risiko, eine CED zu entwickeln, stieg mit der Anzahl der Antibiotika-Abgaben:
- 1,11 für eine Antibiotika-Abgabe
- 1,38 für zwei Antibiotika-Abgaben
- 1,55 für drei oder mehr Antibiotika-Abgaben
Wurden Breitspektrum-Antibiotika abgegeben, stieg das Risiko weiter. Ähnliche, aber schwächer ausgeprägte Ergebnisse ergaben sich, wenn Geschwister als Kontrollgruppe herangezogen wurden.
Fazit
In Deutschland leben etwa 400.000 Menschen mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung. Systemische Antibiotikatherapien, insbesondere mit Breitspektrum-Antibiotika, können dieser Untersuchung zufolge das Risiko erhöhen, eine solche Erkrankung zu entwickeln.
Natürlich sind auch hier längerfristige und weitere große prospektive Studien nötig, um den Zusammenhang definitiv belegen zu können. Doch die Autoren betonen, dass ein Antibiotic Stewardship wichtig ist, um mögliche Risiken zu senken.
Quelle
Nguyen LH, et al. Antibiotic use and the development of inflammatory bowel disease: a national case-control study in Sweden. Lancet Gastroenterol Hepatol. Epub 2020 Aug 17. doi: 10.1016/S2468-1253(20)30267-3.