COVID-19; Originalbild: Eisenhans/Adobe Stock

Dexamethason zur Therapie von COVID-19 im Krankenhaus

Die Publikation der RECOVERY-Ergebnisse im New England Journal bestätigt die Pressemitteilung der Oxford-University zum Einsatz von Dexamethason. Aber nicht alle Patienten profitieren.

Pressemeldung vorab

Die Oxford University hatte beeindruckende Ergebnisse zum Einsatz von Dexamethason bei COVID-19-Patienten in einer Pressemeldung beschrieben (wir berichteten). Nun haben die Autoren die Ergebnisse nach einem Review-Verfahren im New England Journal of Medicine veröffentlicht.

Warum Dexamethason bei COVID-19?

Bei der COVID-19-Erkrankung kommt es zu einer Pneumonie mit diffuser Lungenschädigung und zur Freisetzung von zahlreichen Zytokinen. Glucocorticoide haben entzündungshemmende Eigenschaften und können die Freisetzung von Zytokinen hemmen. Daher bot es sich an, Dexamethason bei Patienten mit COVID-19-Erkrankung zu untersuchen.

Pragmatisches Studiendesign

Es handelte sich um eine kontrollierte, randomisierte, offene Studie im Rahmen des RECOVERY-Studienprogramms in Großbritannien. Patienten, die wegen einer COVID-19 Infektion stationär behandelt wurden, erhielten nach dem Zufallsprinzip

  • orales oder intravenöses Dexamethason in einer Dosis von 6 mg einmal täglich für bis zu 10 Tage oder
  • die übliche Behandlung.

Der primäre Endpunkt der Studie war die 28-Tage-Mortalität.

Effekt bei mechanischer Beatmung am größten

Insgesamt wurden 2104 Patienten für die Behandlung mit Dexamethason und 4321 für die übliche Behandlung randomisiert. Von den 6425 Patienten wurden 1007 künstlich beatmet, 3883 erhielten Sauerstoff und 1535 benötigten keinen Sauerstoff. Die Patienten waren im Mittel 65 Jahre alt und zwei Drittel waren Männer. Im Median waren circa sieben Tage zwischen Behandlungsbeginn und Beginn der Symptome vergangen.

Sterblichkeit

Insgesamt verstarben innerhalb von 28 Tagen 482 Patienten (22,9%) in der Dexamethason-Gruppe und 1110 Patienten (25,7%) in der Standardtherapiegruppe. Dies entspricht einem altersadjustierten Risiko-Quotienten (RR) von 0,83 (95% Konfidenzintervall [KI] 0,75 bis 0,93; p-Wert < 0,001).

Die Unterschiede in der Mortalität zwischen den Gruppen waren von der respiratorischen Unterstützung abhängig, die die Patienten zum Zeitpunkt der Randomisierung erhielten.

  • In der Dexamethason-Gruppe war die Sterblichkeit bei den Patienten, die eine invasive mechanische Beatmung erhielten, niedriger als in der Standardtherapiegruppe (29,3% vs. 41,4%; RR 0,64; 95%-KI, 0,51–0,81)
  • Bei Patienten, die nur Sauerstoff ohne Beatmung erhielten, war der Effekt geringer (23,3% vs. 26,2%; RR 0,82; 95%-KI 0,72–0,94).
  • Bei Patienten, die keinen Sauerstoff benötigten, betrug die Sterblichkeit 17,8% versus 14,0% (RR 1,19; 95%-KI 0,91–1,55) und war nicht signifikant unterschiedlich.

Sekundäre Endpunkte

Die Patienten in der Dexamethason-Gruppe hatten einen kürzeren Aufenthalt im Krankenhaus als in die in der Gruppe mit Standardtherapie (Median, 12 Tage vs. 13 Tage) und eine größere Wahrscheinlichkeit, einer Entlassung aus dem Krankhaus innerhalb von 28 Tagen (RR 1,10; 95%-KI 1,03–1,17). Den größten Unterschied bezüglich der Entlassung aus dem Krankenhaus innerhalb von 28 Tagen zeigte sich bei Patienten, die die Ärzte künstlich beatmeten. Das Risiko einer Verschlechterung mit der Notwendigkeit einer künstlichen Beatmung war bei den Patienten unter Dexamethason geringer als in der Gruppe mit Standardtherapie (RR 0,77; 95%-KI 0,62–0,95).

Kommentar

Es ist bemerkenswert, mit welcher Geschwindigkeit die Kolleginnen und Kollegen in Großbritannien große randomisierte Studien zur Behandlung der COVID-19-Infektion initiiert und abgeschlossen haben. Diese Studien wurden so pragmatisch wie möglich durchgeführt, sodass die Zahl der erhobenen Parameter gering ist. Die Studie zeigt, dass Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion, die beatmet werden müssen, von einer Behandlung mit 6 mg Dexamethason über 10 Tage profitieren. Der therapeutische Nutzen ist geringer bei Patienten, die nur Sauerstoff benötigen. Kein therapeutischer Nutzen fand sich bei Patienten die weder Sauerstoff erhielten noch beatmet werden mussten. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass die Wirkung von Dexamethason über den entzündungshemmenden Effekt geschieht und auch wahrscheinlich dadurch, dass die Freisetzung von Zytokinen gehemmt wird. Die Studie beantwortet allerdings nicht die Frage, welche die optimale Dosis von Dexamethason ist und wie lange die Behandlung durchgeführt werden sollte.

Quelle

Recovery Collaborative Group RC, Horby P, Lim WS, Emberson JR, Mafham M, Bell JL, et al. Dexamethasone in Hospitalized Patients with Covid-19 – Preliminary Report. N Engl J Med. 2020 DOI: 10.1056/NEJMoa2021436

Autor

Foto Prof. Diener
Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener. Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE).