Einer aktuellen Untersuchung zufolge sind 70% der weltweiten Fälle an Typ-2-Diabetes bei Erwachsenen auf die Ernährung zurückzuführen, in Deutschland ist der Anteil sogar noch größer. Hauptverursacher ist hier der Verzehr von verarbeitetem Fleisch.
8 von 10 Typ-2-Diabetes-Fälle in Deutschland möglicherweise ernährungsbedingt
Weltweit hat jeder zehnte Erwachsene Diabetes mellitus, 90% der Patienten leiden unter Typ-2-Diabetes. Dass die Ernährung bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes eine wichtige Rolle spielt, ist bekannt. Bisher war man davon ausgegangen, dass etwa 40% der Typ-2-Diabetes-Erkrankungen auf die Ernährung zurückzuführen sei.
Einer in Nature Medicine veröffentlichten Untersuchung zufolge sollen jedoch 14,1 Mio. der weltweiten 20,1 Mio. Neuerkrankungen jedes Jahr auf die Ernährung zurückzuführen sein. Der Anteil beträgt also eher 70%. In Deutschland sind es der Untersuchung zufolge sogar 83%. Hier hat der übermäßige Verzehr von Wurstwaren den größten Einfluss.
Zu den wichtigsten Ernährungsfaktoren gehörten:
- unzureichende Aufnahme von Vollkornprodukten (26% weltweit; 12% in Deutschland),
- übermäßige Aufnahme von raffiniertem Reis und Weizen (25% weltweit; 23% in Deutschland),
- übermäßige Aufnahme von verarbeitetem Fleisch, also Wurstwaren (20% weltweit; 70% in Deutschland), sowie
- übermäßige Aufnahme von unverarbeitetem rotem Fleisch (20% weltweit; 19% in Deutschland).
Der Rest verteilte sich auf:
- unzureichende Aufnahme von Joghurt (8% in Deutschland),
- übermäßige Aufnahme von gezuckerten Süßgetränken (9% in Deutschland),
- übermäßige Aufnahme von Kartoffeln (6% in Deutschland),
- unzureichende Aufnahme von Obst, Nüssen und Samen (3% in Deutschland),
- unzureichende Aufnahme von nicht stärkehaltigem Gemüse (1% in Deutschland) sowie
- übermäßige Aufnahme von Fruchtsäften (0,2% in Deutschland).
Ernährungsdaten aus 184 Ländern verglichen
Mit 60% zu 40% hatte die übermäßige Aufnahme schädlicher Ernährungsfaktoren zusammengenommen einen größeren Anteil an der weltweiten ernährungsbedingten Diabetes-Last als eine unzureichende Aufnahme der als präventiv angesehenen Ernährungsfaktoren.
Die Autoren verglichen für ihre Risikoabschätzung Ernährungsdaten aus 184 Ländern von 1990 und 2018. Sie verwendeten unter anderem Daten der Global Dietary Database (GDD) und setzten Diabetes-Inzidenzen mit konsumierten Lebensmittel in Beziehung, von denen man weiß, dass sie protektiv oder schädlich in Bezug auf das Typ-2-Diabetes-Risiko sind.
Weltweit stieg der ernährungsbedingte Anteil am Typ-2-Diabetes von 1990 bis 2018 um 2,6 Prozentpunkte (8,6 Millionen weitere Fälle). Der Anteil der Ernährung an der Entstehung des Typ-2-Diabetes war im Allgemeinen bei Männern größer als bei Frauen.
Für vier Ernährungsfaktoren ergab die Risikoabschätzung eine Verbesserung seit 1990: Die Menschen essen inzwischen mehr Vollkornprodukte, nicht stärkehaltiges Gemüse sowie Nüsse und Samen. Dafür konsumieren sie – weltweit betrachtet – mehr rotes Fleisch und gezuckerte Getränke.
Deutschland auf Platz 2 nach Mexiko
Am deutlichsten war der Ernährungseffekt in Mittel- und Osteuropa und Zentralasien (86%) sowie in Lateinamerika und der Karibik (82%). In Südasien war der Anteil der Ernährung mit 55% am niedrigsten.
Im Ländervergleich steht Deutschland nach Mexiko an zweiter Stelle. Hier beträgt der Anteil der Menschen, die aufgrund von Ernährung bzw. Adipositas an Typ-2-Diabetes erkranken, 5091 pro 1 Mio. Einwohner (Mexiko: 6015 pro 1 Mio. Einwohner). Die USA folgen an dritter Stelle.
Kommentar: Prävention ist wichtig
Immer mehr Menschen leiden an Diabetes mellitus Typ 2. Sie haben ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und arterielle Verschlusskrankheit sowie für Schäden an Augen, Nerven und Nieren. Die Therapiemöglichkeiten haben sich in den vergangenen Jahren zwar deutlich verbessert, doch Vorbeugen ist immer besser als Behandeln-Müssen.
Eine solche Risikoabschätzung, wie die Autoren aus Boston/MA/USA und vom GDD sie hier vorgelegt haben, kann natürlich keine Kausalität beweisen. Doch es ist klar, dass ein Gros des Risikos, einen Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln, durch die Essensgewohnheiten vermeidbar wäre. Hier sollte man mit Präventionsmaßnahmen ansetzen, darunter die gesundheitliche Aufklärung der Bevölkerung. Kennzeichnungen wie Lebensmittelampeln können da nur eine Maßnahme unter vielen sein.
Quelle
O’Hearn M. et al. Incident type 2 diabetes attributable to suboptimal diet in 184 countries. Nat Med 2023;29:982–95. https://doi.org/10.1038/s41591-023-02278-8