Parkinson vor dem Ausbruch entdecken?

Parkinson bereits vor Ausbruch der motorischen Symptome erkennen, bevor das Gehirn zu stark geschädigt wird? Mit einem Test, der kürzlich im Fachmagazin Lancet Neurology vorgestellt wurde, lässt sich das fehlgefaltete Protein α-Synuclein im Gehirnwasser von Menschen mit Morbus Parkinson frühzeitig nachweisen. Für Therapiestudien wäre der Assay ein geeignetes Screening-Tool, um Teilnehmer mit fehlgefaltetem α-Synuclein zu identifizieren.

Früher Nachweis, bevor das Gehirn geschädigt ist

Bei Morbus Parkinson verklumpt im Gehirn das Protein α-Synuclein und lagert sich ab. Das führt zu einer Fehlfunktion und zum Tod der Nervenzellen. Eine frühe Detektion der Erkrankung ist eine Voraussetzung für den Einsatz neuer modifizierender Therapien in Therapiestudien.

In einer Studie wurden nun mit dem sogenannten Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (SAA) insgesamt 1123 Menschen mit diagnostizierter Parkinson-Erkrankung, häufigen Vorstadien der Erkrankung und gesunde Personen untersucht. Die Sensitivität betrug über alle Gruppen hinweg 88% – 88 von 100 Teilnehmern wurden also korrekt als Patient erkannt. Die Spezifität lag bei 96% – 96 von 100 Kontrollen wurden korrekt als negativ erkannt.

Bei Menschen mit einer Parkinson-Vorform hing die Trefferquote stark von der Symptomatik ab: Das Protein wurde

  • bei 97% der Teilnehmer mit beeinträchtigtem Geruchssinn, aber nur
  • bei 63% der Teilnehmer mit REM-Traumschlafstörung

nachgewiesen. Die unterschiedlichen Sensitivitäten werden als Hinweis auf die unterschiedlichen Wege gedeutet, auf denen sich das fehlgefaltete α-Synuclein im Nervensystem ausbreitet.

Die meisten Teilnehmer mit einer Parkinson-Vorform, bei denen das Protein im Hirnwasser nachgewiesen wurde, hatten noch keine Hinweise auf Veränderungen der Nervenzellen in der Substantia nigra.

„Ein Meilenstein für die Parkinson-Forschung“

Die Studie ist den Autoren zufolge die bisher größte Analyse eines α-Synuclein-SAA für die biochemische Diagnose der Parkinson-Krankheit.

„Dieses Ergebnis komplexer methodischer Entwicklungen der letzten Jahre ist ein Meilenstein für die Parkinson-Forschung sowie ein Durchbruch im Biomarker-Bereich und für die Entwicklung von neuen Therapien“, kommentierte Priv.-Doz. Dr. Kathrin Brockmann, Leiterin der Parkinson-Ambulanz am Universitätsklinikum Tübingen, die Studienergebnisse in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG).

Bisher kommen Betroffene für eine Diagnose erst dann in die Klinik, wenn sie die klassischen motorischen Symptome wie Bewegungsverlangsamung, Steifigkeit und Ruhezittern bemerken. Zu diesem Zeitpunkt läuft der Erkrankungsprozess im Gehirn jedoch schon viele Jahre. Der Test könnte in Zukunft helfen, die Diagnosestellung, die Planung von Parkinson-Studien und damit letztendlich die Behandlung der Patienten zu verbessern – da gab es in der Vergangenheit viele Rückschläge. Da es inzwischen auch erste Studien mit Impfungen gegen fehlgefaltete Formen des α-Synucleins gibt, könnte dieser Assay helfen, die entsprechenden Patienten zu idenzifizieren, bei denen eine solche Impfung möglicherweise Erfolg hätte.

„Der Test wird zukünftig sicher als Screening-Untersuchung genutzt werden“, so Brockmanns Einschätzung. Am besten gelingt der Test im Hirnwasser, es werden jedoch auch weniger invasive Analysen in Blut, Haut und Schleimhaut in Studien untersucht.

Quellen

Siderowf A, et al. Assessment of heterogeneity among participants in the Parkinson’s Progression Markers Initiative cohort using α-synuclein seed amplification: a cross-sectional study. Lancet Neurol 2023;22:407–17. https://doi.org/10.1016/S1474-4422(23)00109-6

Pressemitteilung „Meilenstein in der Parkinson-Forschung: Neuer Alpha-Synuclein-Test entdeckt die Nervenerkrankung vor dem Ausbruch“ der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) vom 19. April 2023.