COVID-19; Originalbild: Eisenhans/Adobe Stock

Müssen COVID-19-Impfstoffe zukünftig regelmäßig neu angepasst werden?

Die Grippe-Impfstoffe müssen jedes Jahr an die zirkulierenden Influenzaviren angepasst werden. Wird das auch für COVID-19-Impfstoffe nötig sein? Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat sich dieser Frage gewidmet und die Evolution landläufiger Erkältungscoronaviren mit der von Influenzaviren verglichen. Die Studie erschien im Fachmagazin Virus Evolution.

Influenza als Vergleich

Influenzaviren sind Meister darin, sich der Immunreaktion des Menschen zu entziehen: Sie verändern sich so schnell, dass die Impfstoffe in praktisch jeder Grippe-Saison angepasst werden müssen. Auch SARS-CoV-2 hat bereits verschiedene Mutanten hervorgebracht, von denen einige die Immunreaktion teilweise unterlaufen. Erste Impfstoff-Hersteller entwickeln daher schon neue Versionen ihres Vakzins.

Um einschätzen zu können, ob SARS-CoV-2 langfristig eine ebenso stark ausgeprägte „Flucht“ vor dem Immunsystem zeigen wird wie Influenzaviren, haben Virologinnen und Virologen der Charité die genetische Entwicklung von Erkältungscoronaviren untersucht. Bekannt sind bislang vier vergleichsweise harmlose Coronaviren, die weltweit rund 10% der Erkältungen verursachen. Sie zirkulieren schon wesentlich länger im Menschen als SARS-CoV-2 und sie nutzen ebenso das Spike-Protein, um sich in menschliche Zellen einzuschleusen.

Stammbaum der Erkältungscoronaviren soll Aufschluss geben

Das Forschungsteam analysierte anhand von Proben aus einer Gendatenbank, wie sich das Spike-Gen der beiden am längsten bekannten Coronaviren 229E und OC43 über die vergangenen 40 Jahre verändert hat. Zum Vergleich betrachtete das Team den Influenza-Stamm H3N2, der sich besonders effizient der menschlichen Immunreaktion entzieht.

Antigen-Drift bei Corona viermal langsamer als bei Influenza

Die berechneten Stammbäume der Erkältungscoronaviren und des Influenzavirus hatten eines gemeinsam: Sie zeigten eine ausgeprägte Treppenform.

Stammbaum des Influenzavirus H3N2 und des landläufigen Erkältungscoronavirus 229E
Wie auch der Stammbaum des Influenzavirus H3N2 (rechts) zeigt der Stammbaum des Erkältungscoronavirus 229E (links) eine asymmetrische Form, die auf Antigen-Drift hindeutet. Skala: Mutationen/Erbgut-Baustein. [ Jó/Charité]
„Ein solch asymmetrischer Stammbaum bedeutet, dass eine zirkulierende Viruslinie regelmäßig durch eine andere ersetzt wird, weil diese einen Überlebensvorteil hat“, so die Erstautorin der Studie, Dr. Wendy K. Jó, in einer Pressemitteilung. Das sei ein Hinweis auf eine kontinuierliche Veränderung der Oberflächenstrukturen, durch die Viren sich der menschlichen Immunreaktion entziehen.

Unterschiede gibt es in den Evolutionsraten der drei Viren. In der Influenza-Sequenz sammelten sich pro Jahr 25 Mutationen/10.000 Erbgut-Bausteinen an, bei den Erkältungscoronaviren waren es nur etwa sechs Mutationen. Letztere verändern sich also um das Vierfache langsamer.

„Wo es viele Infektionen gibt, kann sich ein Virus auch schneller weiterentwickeln“

Die Evolutionsgeschwindigkeit von SARS-CoV-2 liegt derzeit mit geschätzt rund zehn Mutationen/10.000 Erbgut-Bausteinen im Jahr noch deutlich über der der bekannten Erkältungscoronaviren. Das spiegelt sich im Aufkommen vieler verschiedener Virusvarianten weltweit wider. Der Grund liegt Prof. Dr. Jan Felix Drexler zufolge aber hauptsächlich in dem derzeit hohen Infektionsgeschehen. Auf Basis der Evolutionsraten der heimischen Erkältungscoronaviren gehen die Forscher derzeit davon aus, dass sich auch SARS-CoV-2 langsamer verändern wird, sobald das Infektionsgeschehen abebbt, also wenn ein Großteil der Bevölkerung entweder durch die Erkrankung selbst oder durch eine Impfung einen Immunschutz aufgebaut hat.

„Deshalb nehmen wir an, dass die COVID-19-Impfungen während der Pandemie regelmäßig überprüft und wenn nötig angepasst werden müssen. Sobald sich die Situation stabilisiert hat, werden die Impfungen aber voraussichtlich länger nutzbar sein.“

Quellen

Jo WK et al. The evolutionary dynamics of endemic human coronaviruses. Vir Evol 2021. doi: 10.1093/ve/veab020

Pressemitteilung der Charité – Universitätsmedizin Berlin vom 25. März 2021