COVID-19; Originalbild: Eisenhans/Adobe Stock

Update: Tocilizumab zur Behandlung der SARS-CoV-2-Infektion

Zwei neue Studien zum Einsatz von Tocilizumab bei Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion, die im Krankenhaus behandelt werden, zeigen positive Therapieeffekte auf das Überleben. Dies führte zu einer Modifikation der bestehenden Leitlinien zur Therapie der COVID-19-Erkrankung.

Interleukin-6-Blockade als Ansatz bei COVID-19

Einige hospitalisierte Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion entwickeln eine überschießende Reaktion des Immunsystems mit Ausschüttung von proinflammatorischen Zytokinen. Dies kann zu schwerwiegenden Folgeschäden und einem Multiorganversagen führen. Im Rahmen dieser überschießenden Immunreaktion wurde vor allem eine wichtige Rolle für Interleukin-6 entdeckt. Tocilizumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor und wurde bereits in einigen Studien bei Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion eingesetzt. Die bisher durchgeführten Studien zeigten nur eine geringe Wirksamkeit von Tocilizumab.

Jetzt wurden die Ergebnisse von zwei weiteren Studien publiziert.

Neue Studienergebnisse mit Interleukin-6-Blockade

Die RECOVERY-Studie war eine randomisierte, kontrollierte offene Studie mit hospitalisierten COVID-19-Patienten in Großbritannien. Eingeschlossen wurden Patienten mit einer Hypoxie, definiert als eine Sauerstoffsättigung < 92% oder Notwendigkeit einer Sauerstoffgabe und Zeichen einer systemischen Entzündung mit einem C-reaktiven Protein ≥ 75 mg/L. Die Patienten erhielten entweder

  • die Standardbehandlung oder
  • die Standardbehandlung plus 400 bis 800 mg Tocilizumab i.v. angepasst an das Körpergewicht.

Wenn sich die Patienten klinisch nicht verbesserten, konnte nach 12 bis 24 Stunden eine zweite Dosis Tocilizumab gegeben werden. Der primäre Endpunkt der Studie war die 28-Tage-Mortalität.

Die REMAP-CAP-Studie war eine internationale Studie, die aus Großbritannien koordiniert wurde. Erwachsene Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion wurden innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme auf der Intensivstation entweder mit

  • 8 mg/kg Körpergewicht Tocilizumab,
  • Sarilumab 400 mg oder
  • einer Standardtherapie behandelt.

Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus Sterblichkeit im Krankenhaus und die Tage, bei denen keine organschützenden Maßnahmen für Herz und Lunge notwendig waren.

Reduzierte Sterblichkeit unter Interleukin-6-Blockade

Zwischen April 2020 und Januar 2021 wurden 4116 Patienten in die RECOVERY-Studie eingeschlossen. Von diesen waren 562 (14%) invasiv beatmet. 82% der Patienten erhielten Glucocorticoide. Die Sterblichkeit innerhalb von 28 Tagen betrug 529/2022 (29%) der Patienten, die Tocilizumab erhielten und 694/2094 (33%) der Patienten, die nur die Standardtherapie erhielten. Dies entspricht einer Rate-Ratio (RR) von 0,86 mit einem 95-Konfidenzinterval [KI] von 0,77-0,96 und einem p-Wert von 0,007. Patienten, die Tocilizumab erhielten, wurden häufiger innerhalb von 28 Tagen aus dem Krankenhaus entlassen. Die entsprechenden Prozentzahlen betrugen 54% versus 47% mit einer RR von 1,22 und einem 95%-KI von 1,12-1,34.

In der REMAP-CAP Studie erhielten 353 Patienten Tocilizumab, 48 Sarilumab und 402 waren in der Kontrollgruppe. Die Tage, an denen keine organunterstützende Therapie notwendig war, betrugen 10/21 bei Tocilizumab, 11/21 bei Sarilumab und 0/21 bei den Kontrollpatienten. Dies entspricht einer Odds-Ratio von 1,64 und einem 95%-KI von 1,25-2,14 für Tocilizumab. Die Sterblichkeit im Krankenhaus betrug 98/350 (28%) für Tocilizumab, 10/45 (22,2%) für Sarilumab und 142/397 (35,8%) für die Kontrollpatienten. Die Studie war auch für alle sekundären Endpunkte positiv zugunsten der Interleukin-6-Rezeptorantagonisten

Kommentar

Im Gegensatz zu früheren Studien zeigen die beiden kürzlich durchgeführten Untersuchungen, dass wohl doch ein therapeutischer Effekt von Tocilizumab bei Patienten mit einer schweren COVID-19-Erkrankung besteht. Die RECOVERY-Studie ist dabei mit Abstand die größte bisher durchgeführte Studie. Diese Ergebnisse haben bereits erste Auswirkungen auf Leitlinien: Die Empfehlungen der Infectious Disease Society of America wurden aktualisiert (www.idsociety.org/COVID19guidelines). Diese Leitlinie empfiehlt jetzt den Einsatz von Tocilizumab bei hospitalisierten Patienten mit COVID-19. Die gleichen Autoren sehen insbesondere ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis. In einer Metaanalyse der acht bisher beendeten Studien fand sich eine 9%ige relative Risikoreduktion für die Sterblichkeit innerhalb von 30 Tagen durch Tocilizumab und eine 17% reduzierte Wahrscheinlichkeit einer klinischen Verschlechterung innerhalb von 14 bis 30 Tagen.
Die gerade aktualisierte deutsche S3-Leitlinie „Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19“ spricht sich noch gegen den Einsatz von Tocilizumab aus.

Zusammengefasst muss daher die ursprüngliche Einschätzung zur Wirksamkeit von Tocilizumab bei schwer betroffenen Patienten mit SARS-CoV-2-Infektion angepasst werden.

Quellen

Horby PW, Pessoa-Amorim G, Peto L, Brightling CE, Sarkar R, Thomas K, et al. Tocilizumab in patients admitted to hospital with COVID-19 (RECOVERY): preliminary results of a randomised, controlled, open-label, platform trial. medRxiv. 2021:2021.02.11.21249258.

Gordon AC, Mouncey PR, Al-Beidh F, Rowan KM, Nichol AD, Arabi YM, et al (REMAP-CAP). Interleukin-6 Receptor Antagonists in Critically Ill Patients with Covid-19 – Preliminary report. medRxiv. 2021:2021.01.07.21249390.

Autor

Foto Prof. Diener
Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener. Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE).

Anmerkung der Redaktion

Die hier präsentierten Studienergebnisse haben zum Teil noch kein Peer-Review-Verfahren durchlaufen.