HIV bekämpfen trotz COVID-19

Die jährlichen HIV-Neuinfektionen waren 2019 so niedrig wie noch nie. Jetzt gefährdet die COVID-19-Pandemie diese Erfolge. Dabei könnten Erkenntnisse aus der COVID-19-Pandemie auch im Kampf gegen HIV helfen.

Was ist das Ziel der Vereinten Nationen?

Im Jahr 2016 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen ihre Absicht, die AIDS-Pandemie zu beenden. Dazu sollte die Zahl der jährlichen weltweiten Neuinfektion bis zum Jahr 2020 unter 500.000 sinken. Dies entspricht einer 75%igen Reduktion gegenüber 2010. Im Fokus standen dabei 28 Länder, in denen 75% der Neuinfektionen erfolgen.

2019 infizierten sich 1,7 Millionenen Menschen mit HIV. Das ist die niedrigste Zahl seit den späten 1980ern. Die Reduktion liegt mit –23% aber noch deutlich unter dem Ziel für 2020.

Besonders in den Regionen Ost- und Südafrika sowie West- und Zentralafrika nahmen die Neuinfektionen ab. Verantwortlich dafür ist der Gebrauch von Kondomen, die Beschneidungen von Männern, aber auch der Zugang zu antiretroviraler Therapie und Verhaltensänderungen.

In drei Regionen nahmen die Neuinfektionen dagegen sogar zu. Der Anstieg war besonders Besorgnis erregend in Osteuropa und Zentralasien. Dort erhalten Populationen, die bei der Ausbreitung von HIV eine wichtige Rolle spielen, nur eingeschränkten Zugang zu Prävention sowie Therapie und werden diskriminiert.

Warum gefährdet die COVID-19-Pandemie diese Ziele?

  • In mindestens 24 Ländern mussten Einrichtungen für HIV-Programme aufgrund der COVID-19-Pandemie schließen, ihre Öffnungszeiten reduzieren oder wurden in Einrichtungen zur COVID-19-Bekämpfung umgewandelt.
  • Die Verteilung von Kondomen ist in einigen Regionen eingeschränkt, zum Beispiel in einigen Regionen Chinas. Dort war auch die Verteilung sauberer Kanülen unterbrochen.
  • 12 von 27 Ländern mit hohen HIV-Infektionsraten berichteten, dass ihre Präventionsprogramme durch die Pandemie eingeschränkt seien.
  • Leistungen für die Präexpositionsprophylaxe in Brasilien sind eingeschränkt. In anderen Ländern verzögert sich die Einführung solcher Programme.
  • Programme für die Beschneidung von Männern wurden in mehreren Ländern eingestellt. In Zimbabwe ließen sich im Februar 2020 noch 24.000 Männer beschneiden. Im April waren es nur noch einige hundert.
  • Ausgangssperren in Kenia haben den Zugang zu Präventionsprogrammen unterbrochen.
  • Viele Sexarbeiter haben ihr normales Einkommen verloren. Das bringt sie in eine schwierige ökonomische Lage und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie ungeschützten Geschlechtsverkehr akzeptieren.

Wie kann auf diese Herausforderungen reagiert werden?

Die Gesundheitssysteme gehen dazu über, Kondome und Medikamente für längere Zeiträume auszugeben. Die meisten der 28 Länder mit hohen HIV-Infektionszahlen versorgen die Patienten nun mindesten für drei Monate mit antiviralen Medikamenten. In manchen Fällen erfolgt auch eine Lieferung nach Hause. Wo möglich wird versucht, Präventionsprogramme online durchzuführen.

Frauen und Mädchen sind besonders von den Folgen der Pandemie betroffen: Anstieg von Gewalt, Einkommensverlust, ökonomische Unsicherheit, mehr unbezahlte Arbeit zu Hause. In Kenia verdoppelten sich zum Beispiel von April bis Juni die Fälle sexueller Gewalt gegen Frauen. Hinzu kommen Schulschließungen. Dadurch werden Mädchen wieder abhängiger von ihren späteren Ehemännern. Daher haben mehrere Länder Programme gestartet, die Frauen finanziell unterstützen und eine schnellere Verfolgung von Straftätern ermöglichen sollen.

Fazit und Kommentar

Die Bekämpfung der HIV-Pandemie ist nicht so weit fortgeschritten, wie sie sein sollte oder könnte. Trotzdem war sie auf einem guten Weg. Diese Erfolge dürfen im Angesicht einer neuen Pandemie nicht aufgegeben werden. Die Präventions- und Therapieprogramme müssen so schnell wie möglich wieder aufgenommen werden. Eine Kürzung der Mittel aufgrund der ökonomischen Folgen der COVID-19-Bekämpfung wäre fatal. Stattdessen könnte man sogar medizinische Dienstleistungen bündeln, wenn Testzentren auf beide Infektionen hin untersuchen könnten. Es wäre auch denkbar, Innovationen zu nutzen, die bei der COVID-19-Pandemie gemacht wurden. Eine datenschutzkonforme Kontaktnachverfolgung könnte auch bei HIV eingesetzt werden.

Quelle

Global HIVPrevention Coalition Implementation of the HIV Prevention 2020 Road Map. Fourth Progress Report, November 2020