COVID-19; Originalbild: Eisenhans/Adobe Stock

Patientenversorgung in Pandemie-Zeiten

Die Behandlungszahlen von Notfällen und Hospitalisierungen gingen während der Corona-Pandemie in mehreren amerikanischen Krankenhäusern zurück. Die Autoren vermuten, dass ein Teil der in den USA gemessenen Übersterblichkeit in diesem Jahr nicht nur auf COVID-19 zurückgeht, sondern auch auf versäumte Behandlungen von medizinischen Notfällen wie Schlaganfällen und Herzinfarkten.

Weniger Notfallpatienten und Krankenhausaufenthalte

Zwei Untersuchungen aus amerikanischen Krankenhäusern, die in JAMA Research Lettern vorgestellt wurden, haben aktuell gezeigt, dass seit Pandemiebeginn die Behandlung anderer akuten Notfälle sowie Hospitalisierungen zurückgegangen sind.

Notfälle pro Tag

Hinsichtlich akuter Notfälle (hier: akuter Herzinfarkt, Schlaganfall, nichttraumatische Subarachnoidalblutung, ektope Schwangerschaft, Blinddarmentzündung) wurden Krankenhäuser in New York und Kalifornien untersucht.

Die Fälle pro Tag gingen im Vergleich zu vor der Pandemie im New Yorker Krankenhaus bei vier der genannten Indikationen (außer ektope Schwangerschaften) signifikant zurück, in Kalifornien bei Herzinfarkten, Schlaganfällen und Subarachnoidalblutungen. Der Rückgang war in New York höher als in Kalifornien, was die Autoren mit dem schwereren Pandemiegeschehen in New York begründen. So gab es in den Notaufnahmen 39% bzw. 26% weniger akute Herzinfarkte, 49% bzw. 16% weniger Schlaganfälle, 33% bzw. 21% weniger Behandlungen von Subarachnoidalblutungen sowie in New York eine 42%ige Reduktion der Blinddarmentzündungen.

Krankenhausaufnahmen

Ein ähnliches Bild zeigte sich bei Krankenhauseinweisungen, die nicht auf COVID-19 zurückzuführen waren. Zu Beginn der Pandemie war nur eine leichte Reduktion der Hospitalisierungen wegen anderen Erkrankungen als COVID-19 zu sehen (584,5 pro Woche gegenüber 604,3 vor Pandemiebeginn), im März und April dagegen sanken die Zahlen stark (247 pro Woche).

Das galt für die verschiedensten Krankheitsbilder: Exazerbationen von chronischen Erkrankungen (z.B. Diabetes, COPD, Epilepsie), akute Notfälle oder Verletzungen.

Nach dieser Zeit steigen als erstes die Zahlen der Krankenhauseinweisungen bei Notfällen wie Herzinfarkten oder Blinddarmentzündungen wieder, die Gesamtzahl an Krankenhausaufnahmen blieb jedoch insgesamt niedrig (309,3 pro Woche).

Aufschub von Behandlungen

In einem begleitenden Editorial kommentieren die Autoren, dass ein Teil von verschobenen Behandlungen sicher glimpflich ausgehe oder möglicherweise sogar Übertherapien verhindert werden, aber beispielsweise die Behandlung von Herzinfarkten und Schlaganfällen keinen Aufschub dulde.

Die Gründe für das Verschieben oder Unterlassen von Behandlungen sei vielfältig: Angst, sich im Krankenhaus mit dem Corona-Virus anzustecken, aber auch der Verlust der Krankenversicherung bei Arbeitslosigkeit oder fehlende Kinderbetreuung, die nötig wäre, um einen Arzt aufzusuchen.

Die Langzeitfolgen dieser verschobenen oder unterlassenen Behandlungen und Krankenhausaufnahmen müssen zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal betrachtet werden. Daten derzeit deuten zumindest an, dass die Hälfte der Fälle von Übersterblichkeit im häuslichen Umfeld nicht auf COVID-19, sondern auf nichtbehandelte Notfälle zurückzuführen sind.

Kommentar

Die Ergebnisse sind sicher nicht eins zu eins auf Deutschland übertragbar. Beispielsweise erlischt hierzulande nicht ohne weiteres der Versicherungsschutz bei Arbeitslosigkeit, was Menschen davon abhält, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aber auch hier haben sich seit Pandemiebeginn Versorgungslücken aufgetan oder vergrößert.

Infektionsschutz ist ohne Diskussion derzeit extrem wichtig, aber Patientensicherheit ist mehr als Infektionsschutz. So darf diesem nicht alles andere blind untergeordnet werden und ein differenziertes Abwägen ist gefragt. Es darf nicht sein, dass Patienten mit schweren Erkrankungen nicht mehr angemessen versorgt werden.

Quellen

Bhambhvani HP, et al.  Hospital volumes of 5 medical emergencies in the COVID-19 pandemic in 2 US medical centers.  JAMA Intern Med. Published online October 26, 2020. doi:10.1001/jamainternmed.2020.3982

Blecker S, et al.  Hospitalizations for chronic disease and acute conditions in the time of COVID-19. JAMA Intern Med. Published online October 26, 2020. doi:10.1001/jamainternmed.2020.3978

DeJong C, et al. Deferral of Care for Serious Non–COVID-19 Conditions: A Hidden Harm of COVID-19. JAMA Intern Med. Published online October 26, 2020. doi:10.1001/jamainternmed.2020.4016