Der 2. Welttag der Patientensicherheit steht dieses Jahr unter dem Motto „Safe health workers, safe patients“. Bei der Online-Pressekonferenz des Aktionsbündnisses Patientensicherheit e.V. (APS) diskutierten mehrere Vertreter des Vereins über die Situation von Patienten während der Corona-Pandemie.
Patienten vor vermeidbaren Schäden bewahren
Die Krise hat viele Akteure im Gesundheitswesen dazu gezwungen, Abläufe und Prozesse an die Pandemiesituation anzupassen. Veränderte, unsichere Prozesse, bedeuten jedoch Risiken für die Patientensicherheit. Überdies habe Corona die Lücken, Sollbruchstellen und Schwachpunkte der Versorgung, die schon lange bekannt waren, wie mit dem Brennglas vergrößert, so Dr. Ruth Hecker, Vorsitzende des APS. Gleichzeitig könne man die Krise auch als Chance begreifen, alte Strukturen aufzubrechen und beispielsweise digitale Angebote auszubauen.
Stabile Gesundheitsversorgung für alle
Patientenvertreter im gemeinsamen Bundesausschuss und Stellvertretender Vorsitzender des APS Constantin Grosch wies darauf hin, dass das Gesundheitssystem nicht nur Corona-Patienten zu versorgen habe. Er berichtete von Chronikern und auch akut Erkrankten wie Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten, die zu Beginn der Pandemie nicht mehr angemessen versorgt wurden.
Die Gründe seien vielfältig: Patienten, die aus Angst vor Ansteckung nicht ins Krankenhaus wollten oder ausgefallene Facharzttermine, Operationen und Reha-Maßnahmen. Einzelne Betroffene wurde sogar an Krankenhäusern abgewiesen.
Besondern kritisch ist der Rückgang bei nicht aufschiebbaren Behandlungen (z.B. 30% Rückgang bei Herzinfarkten), aber auch hausärztliche Behandlungsfälle sind im ersten Quartal 2020 um 40%, augenärztliche Therapien um 30% zurückgegangen.
Patienten sind abhängig von sicherer und zuverlässiger Versorgung – trotz, während und nach Corona.
Allerdings bestanden viele dieser Probleme bereits vor der Pandemie, die die Lage nur zusätzlich verschärft habe: Beispielsweise haben Schmerz- oder Rheumapatienten schon zu normalen Zeiten häufig Probleme, Facharzttermin zu bekommen und riskieren so eine Chronifizierung der Erkrankung. Diese geht oft mit einer minimierten Teilhabe am Alltag und gesellschaftlichen Leben einher sowie einem oft dauerhaften Verlust an Lebensqualität. Wo nun die Versorgung wieder angelaufen ist, komme es wegen des erheblichen Rückstaus teilweise zu einer gefährlichen Priorisierung der Fälle.
Groschs finaler Appel an die Politik war daher, sich um Probleme und Lücken im System zu kümmern, die die Pandemie offengelegt hat, um so die Patientensicherheit im normalen Setting, aber auch in besonderen Situationen zu gewährleisten, „denn die Patienten sind abhängig von sicherer und zuverlässiger Versorgung – trotz, während und nach Corona.“
Mitarbeitersicherheit ist Patientensicherheit
Für Prof. Dr. Reinhard Strametz, Generalsekretär des APS, sind Behandelnde keine Helden, sondern Menschen, die ebenfalls Hilfe brauchen und geschützt werden müssen. Es bedarf nicht nur eine Maske und einen Schutzanzug, sondern auch eine „psychische Schutzausrüstung“. Diese bestehe im Wesentlichen aus drei Säulen: einer auf Resilienz ausgerichteten Führung, einer proaktiven psychosozialen Unterstützung sowie dem strukturierten lösungsorientierten Aufarbeiten von Schadensfällen.
„Patientensicherheit ohne Mitarbeitersicherheit ist undenkbar!“
Bereits 50% der Ärzte in Weiterbildung sehen sich selbst als Second Victim – also als behandelnde Person, die Patientenschäden verursacht hat oder in anderen kritischen Behandlungssituationen war und so selbst traumatisiert wurde. Eine Folge kann ein Vertrauensverlust in die eigene Kompetenz und ein daraus resultierendes defensives Behandlungsverhalten sein. Dazu kommen psychischer Druck, Schlafstörungen, Burn-Out oder gar Suizide. All diese Faktoren sind wiederum Risiken für die Patientensicherheit.
In der SARS-Pandemie 2002/03 berichtete etwa die Hälfte aller an der Behandlung Beteiligen über psychische Belastungen bis hin zur PTBS und dass obwohl diese relativ schnell unter Kontrolle gebracht wurde.
Auch in der aktuell angespannten Lage berichten viele Kollegen bereits, dass sie erhebliche Ressourcen aufbringen müssen, um den Laden am Laufen zu halten, so Strametz. Wenn diese nicht angemessen unterstützt werden, könnten die bisherigen Erfolge im Umgang mit der Pandemie wieder verspielt werden.
So resümierte Strametz am Ende seines Vortrags: „Patientensicherheit ohne Mitarbeitersicherheit ist undenkbar!“