Hypertoniker sollten ihren Salzkonsum einschränken, um das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen zu minimieren, so die allgemeine Empfehlung. Bei Nicht-Hypertonikern scheint aber nur ein sehr hoher Salzkonsum das Risiko zu erhöhen. Das legen die Daten einer im Lancet veröffentlichten Beobachtungsstudie nahe. Interessanterweise traten bei Menschen mit niedrigem Salzkonsum sogar mehr Herzinfarkte auf.
Wie viel (oder wenig) Salz ist genug? Die WHO empfiehlt die tägliche Einnahme von weniger als 2 g Kochsalz. Ein Zielwert, der nur von den wenigsten erreicht wird. Die Salzreduktion soll sich positiv auf den Blutdruck auswirken und so schwere kardiovaskuläre Komplikationen verhindern. Doch bereits vor zwei Jahren kam die Forschergruppe um Andrew Mente nach Auswertung von Studiendaten zu dem Schluss, dass der eingeschränkte Salzkonsum zwar für Menschen mit Bluthochdruck Vorteile im Hinblick auf das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall bringt, aber das zu wenig Salz sogar schädlich sein könnte.
Da die Empfehlungen, wie die der WHO, auf den individuellen Daten aus Kurzzeitstudien beruhen, haben Mente et al. nun den Zusammenhang zwischen dem durchschnittlichen Salzkonsum in der Bevölkerung, dem mittleren Blutdruck und der Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen in einer Beobachtungsstudie untersucht. Analysiert wurden die Daten aus der „Prospective Urban Rural Epidemiology study“. Die aufgenommene Menge an Natrium und Kalium wurde über die ausgeschiedene Konzentration im Morgenurin bestimmt.
Mehr Salz, mehr Druck, aber …
Tatsächlich nahm der systolische Blutdruck insgesamt um durchschnittlich 2,86 mmHg pro Gramm Natriumchlorid zu. Allerdings gab es bei in Bezug auf kardiovaskuläre Erkrankungen keinen linearen Zusammenhang mit der Salzeinnahme. So stieg die Häufigkeit der Ereignisse zwar im oberen Drittel (Salzeinnahme: > 5,08g pro Tag), zeigte aber keinen Unterschied im mittleren Drittel (4,43-5,08g pro Tag). Für den Bevölkerungsanteil, der weniger als 4,43g Salz pro Tag zu sich nahm, wurde sogar ein inverser Effekt beobachtet. Ein hoher Natriumkonsum war assoziiert mit einer höheren Inzidenz von Schlaganfällen. Dieser Zusammenhang war aber größtenteils auf China beschränkt, wo im Schnitt höhere Mengen Salz konsumiert werden. Ebenfalls wurde in der Studie der Kaliumkonsum betrachtet. Hier zeigte sich eine Reduktion aller kardiovaskulären Erkrankungen mit steigender Einnahme.
In seinem Kommentar betont Franz Messerli von der Universitätsklinik für Kardiologie in Bern, dass die inverse Korrelation zwischen Salzeinnahme und Herzinfarkt wohl das kontroverseste Ergebnis sei – vor allem vor dem Hintergrund, dass der Blutdruck mit höherem Konsum stieg. Überraschen käme der Zusammenhang zwischen Salzkonsum und geringerem kardiovaskulärem Risiko aber nicht: Schon frühere Studien konnten laut Messerli keinen Nachweis erbringen, dass der Salzkonsum die Lebenserwartung einschränkt – außer in extrem hohen Mengen.
Grenzen der Aussagekraft
Bevor aber Empfehlung geändert werden, sollte in Betracht gezogen werden, dass die Daten von Mente et al. aus Beobachtungsstudien stammen und sich zum größten Teil auf die asiatische Bevölkerung beziehen, so Messerli. Gerade provokative Thesen sollten in kontrollierten klinischen Studien überprüft werden.
Es wurde übrigens vorgeschlagen, so eine Studie mit Gefängnisinsassen durchzuführen. Das verdeutlicht das Problem, den Salzkonsum in der Bevölkerung zu reduzieren. Oder, um es mit den Worten von Sir George Pickering, ehemaliger Professor für Medizin in Oxford, zu sagen:
„The rigid low-sodium diet is insipid, unappetizing, monotonous, unacceptable, and intolerable. To stay on it requires the asceticism of a religious zealot”.