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Canifizierte Medizin

Es werden immer mehr Gentest für Tiere – vor allem Hunde – angeboten, die Krankheiten vorhersagen und Behandlungen optimieren sollen. Warum das problematisch ist, erläutern drei Autoren im Fachblatt Nature.

Auf den Hund gekommen

Patientenindividuelle bzw. personalisierte Medizin ist mittlerweile in vielen Bereichen der Patientenversorgung angekommen. Da verwundert es wenig, dass es nicht lange gedauert hat, bis findige Firmen dasselbe für Tiere anbieten.

Weltweit geben Menschen für die Versorgung ihrer Haustiere über 100 Milliarden US-Dollar jährlich aus. Kein Wunder also, dass diese Bereitschaft zum Geldausgeben von entsprechenden Anbietern genutzt wird. In der Regel handelt es sich dabei um Gentest, die Krankheitsrisiken vorhersagen sollen.

Drei Autoren der Harvard-Universität plädieren jedoch für eine Einschränkung dieser Gentests, um Tieren und Besitzern unnötiges Leid zu ersparen, das durch unzureichende und Fehlinformation sowie durch Falschinterpretation verursacht wird.

Fehlende Genauigkeit und falsche Diagnosen

Die Autoren benennen drei Hauptprobleme der angebotenen Testverfahren:

  • Fehlende Validierung
  • Unpräzise Informationen bzw. Interpretation von Ergebnissen
  • Interessenkonflikte

Die Studien, auf denen die Direct-to-Consumer-Tests basieren, sind meist zu klein und von geringer Teststärke (Power).

Oft wird auch nur unvollständig getestet, beispielsweise wird nur auf eine einer Krankheit zugrundeliegende Genmutation getestet, obwohl mehrere Gene dafür ursächlich sein können. Das heißt, ein Tier wird als gesund bzw. ohne Risiko klassifiziert, obwohl dies gar nicht der Fall ist.

Umgekehrt können die Ergebnisse auch zu vorschnellen Reaktionen führen. So berichten die Autoren von einem Hundehalter, der ein Tier einschläfern ließ, bei dem eine bestimmte Genmutation für eine ALS-ähnliche Krankheit nachgewiesen wurde. Dass diese Krankheit nur etwa bei einem von hundert Hunden auftritt, die das mutierte Gen in sich tragen, hatte ihm niemand erklärt. Denn die meisten Tierärzte seien gar nicht dafür ausgebildet, auf entsprechende Testergebnisse adäquat regieren zu können – sprich diese zu interpretieren und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Interessenkonflikte entstehen immer dann, wenn beispielsweise Test und Behandlung aus derselben Hand angeboten werden – wie in einer amerikanischen Klinik, die allen Hundebesitzern zu Gentests rät und hinterher darauf zugeschnittene Therapien und Verhaltenstrainings anbietet.

Daten sammeln und Standards etablieren

Um die unsystematische Nutzung der Gentests unter Kontrolle zu bringen, schlagen die Autoren folgendes vor:

  • Standards entwickeln hinsichtlich Testmethoden und Ergebnisübermittlung
  • Leitlinien entwickeln
  • Daten mit allen am Prozess Beteiligten teilen
  • Fachleute für die Verarbeitung und Analyse der zahlreichen Datensätze gewinnen
  • Berater ausbilden, die Tierhalter informieren und unterstützen können

Denn wenn die Gentests bei den geliebten Haustieren sinnvoll und sorgfältig durchgeführt werden, kann das auch die Einstellung der Halter zu vergleichbaren Tests beim Menschen zur Therapieoptimierung bei bestimmten Krankheiten verbessern.

Werde jedoch geschlampt, könne das das Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft erschüttern – nicht nur hinsichtlich der Behandlung ihrer vierbeinigen Gefährten.