Übergewicht in der Schwangerschaft: schlechter Start

Werdende Mütter mit Übergewicht machen ihrem Kind das Leben von Anfang an schwer, so lautete die deutliche Botschaft im Rahmen eines Symposiums rund um das Thema Ernährungserhebungen.

Weichenstellung im Mutterleib

Adipositas und ernährungsmitbedingte Erkrankungen beginnen schon vor der Geburt, erläuterte Prof. Dr. med. Regina Ensenauer, Karlsruhe, in ihrem Impulsvortrag beim Online-Symposium „UPDATE Ernährungserhebung: Beobachtungsstudien in Deutschland“ des Max Rubner-Instituts. Ist die Mutter vor der Schwangerschaft übergewichtig, steige das Risiko für ihr Kind, als Vierjährige(r) ebenfalls übergewichtig zu sein, von 5 auf 12 %. Kommen weitere Risikofaktoren hinzu, beispielsweise exzessive Gewichtszunahme in der Schwangerschaft, erhöhte Nüchternglucosewerte in der 26. bis 28. Schwangerschaftswoche, kein oder kürzer als viermonatiges Stillen sowie Übergewicht des Vaters, steige das Risiko auf bis zu 38 %. In Anbetracht der zunehmenden Übergewichtsproblematik in Deutschland sei das sehr bedenklich, so Ensenauer. Seit 1984 habe sich die Anzahl der Frauen, die zu Beginn ihrer Schwangerschaft übergewichtig sind, verdreifacht. Auch die Häufigkeit von Adipositas im Kindesalter wächst seit Jahren weltweit.

Das Kind isst, was die Mutter isst – mit dauerhaften metabolischen Konsequenzen.

Bei Kindern mit adipösen Müttern sei im Vergleich zu Kindern mit normalgewichtigen Müttern eine größere Anzahl ungünstiger „early-life-Faktoren“ mit einem übermäßigen frühen Wachstum assoziiert.

Fehlprägung in der Schwangerschaft

Es scheine eine adipogene Prägung in utero zu geben: Kinder, die im Mutterleib maternalem Übergewicht ausgesetzt waren, entwickeln mehr Fettgewebe, beschrieb die Leiterin des Instituts für Kinderernährung. Weiterhin führe die Erhöhung der subkutanen Fettmasse zu erhöhtem Taillenumfang, zu erhöhten Blutdruck- und Triglyceridwerten, erniedrigtem HDL-Cholesterin sowie erhöhter Insulinresistenz bzw. Nüchternglucose.

Pro Erhöhung des subkutanen Fetts um 10 mm2 im Alter von 5 Jahren erhöht sich das Risiko für drei von fünf Parametern eines metabolischen Syndroms im Alter von 8–9 Jahren um 13,2 %.

Risikofaktoren in der Jugend, die ernährungsmitbedingte Erkrankungen zudem weiter forcieren, seien eine rasche Gewichtszunahme in den ersten zwei Lebensjahren, ungünstiges Ernährungsverhalten, körperliche Inaktivität, niedriger sozioökonomischer Status, kurze Schlafdauer und hoher Medienkonsum.

Früh gegensteuern!

Es gelte, Risikopopulationen frühzeitig zu identifizieren und Präventionsstrategien zu entwickeln, rief Ensenauer auf. Mittels eines validierten Prädiktionssystems könne ein Risikoscore innerhalb der ersten 1000 Tage – ein bedeutendes Zeitfenster für die Primärprävention – zur Früherkennung dienen: Risikobewertungen in den ersten Lebensmonaten, kombiniert mit den gängigen Vorsorge-U-Untersuchungen, könnten übermäßige Gewichtszunahme aufdecken. Dann könnten die Risiken mit gezielten Interventionsmaßnahmen gesenkt werden.

Stillcoaching sei eine der wichtigsten Präventionsstrategien. Protektive Langzeiteffekte des Stillens führten nicht nur zu einem geringeren Risiko für kindliches Übergewicht, sondern erreichten auch ein niedrigeres Diabetesrisiko für die Mutter. Die beim Stillen zugeführten bioaktiven Substanzen haben vermutlich positive Effekte auf eine frühe Geschmacksprägung sowie günstige Ernährungsmuster.

Stillen scheint mit höherer Akzeptanz von Lebensmitteln in der Beikostphase und mit späteren Geschmackspräferenzen einherzugehen.

Daten aus Ernährungserhebungen nutzen

Um diese und weitere wichtige Zusammenhänge zu untersuchen, laufen in Deutschland mehrere Beobachtungsstudien und Ernährungserhebungen in frühen Lebensphasen, beispielsweise die PEACHES-Studie als Übergewichts-Risiko-Screening für Neugeborene von Müttern mit Adipositas, die seit 1985 laufende prospektive, dynamische Kohortenstudie DONALD und die IDEFICS-Studie zur Erforschung von Übergewicht bei Kindern im Alter von zwei bis zehn Jahren. Die gesammelten und für die Forschung zur Verfügung stehenden Daten unterstützen die wissenschaftlichen Erkenntnisse und bilden die Basis für aktuelle Ernährungsempfehlungen.

Quelle

Prof. Dr. Regina Ensenauer, Karlsruhe. „Frühe Weichenstellung durch Ernährung – Prävention beginnt beim Kind“. UPDATE Ernährungserhebung: Beobachtungsstudien in Deutschland. Online-Symposium des Max Rubner-Instituts, Vernetzungs- und Koordinierungsstelle für Ernährungsforschung am 20. Juni 2023.