COVID-19; Originalbild: Eisenhans/Adobe Stock

COVID-19: AWMF veröffentlicht S3-Leitlinie zu Schulmaßnahmen

Seit Kurzem existiert eine S3-Leitlinie mit Empfehlungen zu Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen. Sie beinhaltet Maßnahmenpakete, um das Infektionsrisiko an Schulen zu mindern und einen möglichst sicheren, geregelten und kontinuierlichen Schulbetrieb in Pandemiezeiten zu ermöglichen.

Aufeinander abgestimmte Maßnahmenpakete im Konsens

Die aktuelle Pandemie stellt Schulen vor große Herausforderungen. Auf der einen Seite bestehen Unsicherheiten, wie das Infektionsgeschehen in Schulen zu bewerten ist. Auf der anderen Seite sollten Schüler so schnell wie möglich wieder Präsenzunterricht erhalten.

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) hat nun eine S3-Leitlinie zu „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen“ (PDF) veröffentlicht. Sie wurde gemeinsam von wissenschaftlichen Fachgesellschaften, Lehrer-, Eltern- und Schülerverbänden sowie maßgeblichen Entscheidungsträgern erarbeitet.

Ausgangspunkt bildet ein Standard-Maßnahmenpaket, das sich an den allgemein für die Bevölkerung geltenden AHA+L Regeln orientiert (Abstand, Hygiene, das Tragen einer angemessenen Maske und Lüften).

Ausgewählte Empfehlungen

  • Eine Reduktion der Schülerzahl in Präsenzunterricht und/oder eine Kohortierung von Schülern soll in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen in der Allgemeinbevölkerung umgesetzt werden. Der Nutzen (Beitrag zum Infektionsschutz bei Aufrechterhalten des Präsenzunterrichts) überwiegt die möglichen Schäden (u.a. erhöhter Betreuungsbedarf).
  • Es sollen sachgerecht Masken getragen werden. Ab hohem Infektionsgeschehen wird ein medizinischer Mund-Nasen-Schutz empfohlen. Risikogruppen sollten FFP-2-Masken tragen. Ausnahmen können für Grundschüler erwogen werden, wenn das Infektionsgeschehen mäßig ist. Mit dem Maskentragen gehen geringe gesundheitliche Nebenwirkungen einher, es gibt aber keine Evidenz für mögliche Schäden durch das Tragen einer Maske.

Zudem umfassen die Empfehlungen noch weitere Fragestellungen, und zwar zum Infektionsschutz auf Schulwegen, zum Musik- und Sportunterricht, zum Umgang mit Verdachtsfällen und Quarantäne in den Klassen sowie zum Lüften in Schulen und Luftreinigung in Unterrichtsräumen. Schulschließungen wurden nicht behandelt.

Abwiegen von Nutzen und Schaden

Neben dem Blick auf die gesundheitlichen Wirkungen von Maßnahmen haben die Experten Kriterien zur Akzeptanz der Maßnahmen, zur gesundheitlichen Chancengleichheit, zu sozialen und ökologischen Folgen, finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen und Machbarkeit berücksichtigt.

Für die Empfehlungen haben sie die aktuell verfügbaren Studien zur Wirksamkeit der entsprechenden Maßnahmen herangezogen. Hierbei handelt es sich allerdings zum größten Teil um Modellierungsstudien. Für die Aussagen ist somit maximal eine niedrige Evidenzstärke vorhanden, die meisten sind konsensbasierte Empfehlungen.

Die wissenschaftliche Leitung und Koordination der Leitlinie liegt beim Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der LMU München. Die Leitlinie soll als „lebende Leitlinie“ schnell aktualisiert werden können.

Kommentar

Seit Anfang des Jahres haben wir in Deutschland wieder Dauer-Onlineunterricht. Zwar sind viele der anfänglichen Probleme aus dem letzten Schuljahr inzwischen behoben, doch längst nicht alle und schon gar nicht flächendeckend. Nicht jedes Kind kommt mit dem Unterricht zu Hause zurecht und nicht in jedem Haushalt können Eltern die nötige Unterstützung bieten.

Klar ist: Die andauernden Schul- und Kitaschließungen werden langfristige Folgen für die Kinder haben. Doch in welchem Ausmaß? Hierbei geht es gar nicht nur um schulische Defizite, sondern vor allem um soziale und gesundheitliche Probleme: Im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie verbringen Kinder heute mehr Zeit vor Handy- und Computerspielen, essen mehr Süßigkeiten und machen deutlich weniger Sport. Fast jedes dritte Kind leidet inzwischen unter psychischen Auffälligkeiten, wie die kürzlich veröffentlichte COPSY-Studie vom UKE aufzeigt. Vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren Verhältnissen oder mit Migrationshintergrund sind betroffen.

Hinzu kommt, dass die Überforderung in manchen Familien zunehmend zu häuslicher Gewalt führen kann. Schulen und Kitas spielen beim Vermeiden und Bekanntwerden häuslicher Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen jedoch eine wichtige Rolle, der sie zurzeit nur bedingt nachkommen kommen. Eine Auswertung, die in diesen Tagen von Wissenschaftlern des UKE veröffentlicht wurde, zeigt zwar, dass in Kinderschutzambulanzen ein Rückgang von Meldungen zu verzeichnen ist, doch dies sei eher als Alarmzeichen und eine Zunahme der Dunkelziffer zu werten, so die Wissenschaftler.

Wir müssen also sehen, wie wir die Schulen schnellstmöglich wieder öffnen können – ohne in einen neuen Lockdown zu schlittern, bevor der jetzige überhaupt vorbei ist. Dazu bietet die aktuelle AWMF-Leitlinie einen Schritt in die richtige Richtung. Und die Kitas? Dass Kleinkinder höchstwahrscheinlich keinen maßgeblichen Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben, deutet sich bereits an. Umso erfreulicher ist es, dass zumindest jüngere Kinder in vielen Bundesländern noch im Februar wieder eine Off-Home-Betreuung genießen dürfen.

Quellen

    • Kurzfassung der S3-Leitlinie zu „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen. AWMF-Registernummer 027-076. Version 1, Februar 2021. (PDF)
    • Ravens-Sieberer U, et al. Impact of the COVID‑19 pandemic on quality of life and mental health in children and adolescents in Germany. European Child & Adolescent Psychiatry 2021. DOI: 10.1007/s00787-021-01726-5.
    • Pressemitteilung vom 8. Februar 2021 der LMU München „S3-Leitlinie zu Schulmaßnahmen in der COVID-19-Pandemie“
    • Pressemitteilung vom 10. Februar 2021 des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf „Kinder und Jugendliche leiden psychisch weiterhin stark unter der Corona-Pandemie – Ergebnisse aus der zweiter Befragungsrunde der COPSY-Studie“ (PDF)
    • Pressemitteilung vom 10. Februar 2021 des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf „Vermutlich höhere Dunkelziffer an Kindeswohlgefährdungen während des Lockdowns“ (PDF)