Viele Patienten berichten in sozialen Medien von COVID-19-Symptomen über Monate. Dabei sollte eine leichte Erkrankung nach zwei oder drei Wochen vorüber sein. Mittlerweile diskutieren auch die Fachmedien, was Long Covid bedeutet, wie es genannt werden sollte und ob es überhaupt existiert.
Woher kommt der Begriff Long Covid?
Die Bezeichnung entstammt einem Twitter-Post von Elisa Perego, in dem sie #LongCovid am 20. Mai als Hashtag nutze [Beitrag in Soc Sci Med]. Long Covid bezieht sich auf die Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung. Da es sich um eine Bezeichnung handelt, die im Patientenumfeld entstand, gibt es bisher keine festgeschriebene Definition. Meistens wird Long Covid jedoch genutzt, um zu verdeutlichen, dass der Patient Symptome hat, die über die übliche Erkrankungsdauer von zwei bis drei Wochen hinausgehen. Dabei treten die Symptome oft zyklisch auf. Es geht weniger um die Folgen einer schweren Erkrankung beziehungsweise einer intensivmedizinischen Behandlung, sondern eher um schwere Folgen eines scheinbar leichten initialen Verlaufs.
Die berichteten Symptome variieren, eine häufige Gemeinsamkeit sind aber Berichte über extreme Erschöpfungszustände und neurologische Defizite wie Konzentrationsstörungen.
Für Personen mit diesen lang andauernden Symptomen prägte sich der Begriff Long Hauler. Darunter befinden sich auch Ärzte wie Paul Garner und Jeffry Siegelman, die ihre Erfahrungen sehr eindrücklich im BMJ und JAMA geschildert haben.
There was a pattern in that period from two weeks to six weeks: feeling absolutely dreadful during the day; sleep heavily, waking with the bed drenched in sweat; getting up with a blinding headache, receding during the day, turning me into a battered ragdoll in the evening.
Denken sich die Patienten Long Covid nur aus?
In einer Studie mit 143 genesenen COVID-19-Patienten waren nur 18 Patienten 60 Tage nach Krankheitsbeginn symptomfrei [JAMA].
Von 100 Patienten, die im Mittel 70 Tage nach ihrer Diagnose untersucht wurden, zeigten 60% noch immer eine Entzündung des Myokards im MRT, unabhängig von der Schwere der Erkrankung [JAMA Cardiol].
Sollte der Begriff gegen einen sauber definierten Term ausgetauscht werden?
Eine Autorengruppe um Nisreen A. Alwan plädiert dafür, den Begriff Long Covid beizubehalten. Bei allen handelt es sich um Personen, die lange COVID-Symptome hatten.
Sie sprechen sich gegen Bezeichnungen aus, die die Wörter „post“ „chronic“ und „syndrome“ enthalten. Diese könnten dazu führen, dass den Patienten die Legitimation ihrer Erkrankung abgesprochen wird und es schwieriger wird, eine Behandlung zu erhalten.
Im September haben sich Ärzte im BMJ dafür ausgesprochen, andauernde Symptome von COVID-19 zu beobachten und statistisch zu erfassen. Den betroffenen Patienten soll ein niedrigschwelliger Zugang zu medizinischer Betreuung gewährt werden.
Kommentar
Ein schwerer COVID-19-Verlauf und eine intensivmedizinische Behandlung können langfristige Folgen haben. COVID-19 ist nicht nur eine pneumologische Erkrankung, sondern kann direkt oder indirekt auch andere Organe betreffen. Beispiele hierfür sind das Nervensystem und Veränderungen bei der Blutgerinnung. Wie gefährlich ein initial leichter oder pneumologisch asymptomatischer Verlauf sein kann, ist aktuell noch unklar. Die Forschung fokussiert auf die schweren Fälle, die zum Beispiel eine intensive Beatmung benötigen.
Die bedrohliche Pandemielage und ihre sozioökonomischen Folgen belasten viele Menschen. Selbst bei Patienten ohne COVID-19-Erkrankung kann dies zu einer Verschlechterung der Gesundheit führen, insbesondere bei psychiatrischen Vorerkrankungen. Umgekehrt könnte es jedoch fatal sein, einen Patienten mit andauernden COVID-19-Symptomen als psychisch krank abzustempeln. Die Patienten leiden darunter, dass von ihnen erwartet wird, dass sie eigentlich wieder gesund und leistungsfähig sein müssten. Ihre Symptome als psychosomatisch darzustellen, könnte die Situation weiter verschlimmern.
Daher benötigen wir dringend Studien und Leitlinien, die potenzielle Langzeitkomplikationen einer COVID-19 erforschen beziehungsweise klare Diagnosekriterien liefern. Der Begriff Long Covid ist zwar weit gefasst, aber eigentlich ist das in der Medizin nicht unüblich. Bei vielen Syndromen handelt es sich um Ausschlussdiagnosen, die mehrere pathologische Grundlagen vereinen.