Hydroxychloroquin und Azithromycin zur Therapie von COVID-19?

Bei 1438 Patienten, die im Großraum New York mit COVID-19 stationär behandelt wurden, ergab eine Behandlung mit Hydroxychloroquin, Azithromycin oder einer Kombinationstherapie keinen Vorteil in Bezug auf das Risiko, im Krankenhaus zu versterben.

Warum wurde die Studie durchgeführt?

In In-vitro-Modellen war das Malariamittel Hydroxychloroquin in Kombination mit dem Antibiotikum Azithromycin wirksam. Daher wird es insbesondere in den Vereinigten Staaten im Moment bei vielen Patienten mit COVID-19-Infektion eingesetzt.

Im Bundesstaat New York waren Anfang  Mai 2020 über 320.000 Personen mit COVID-19 erkrankt. 20.000 Personen war zu diesem Zeitpunkt verstorben.

Was wurde in der Studie untersucht?

Es handelte sich um eine retrospektive, multizentrische Kohortenstudie mit Patienten aus einer Zufallsstichprobe aller stationär aufgenommenen Patienten mit laborbestätigtem COVID-19 in 25 Krankenhäusern in der Metropolregion New York. Eingeschlossen wurden die Patienten zwischen dem 15. und 28. März 2020. Eine medikamentöse Therapie, Vorerkrankungen, klinische Maßnahmen bei der Aufnahme, Ergebnisse und unerwünschte Arzneimittelwirkungen wurden aus den Krankenakten extrahiert. Das Datum der endgültigen Nachuntersuchung war der 24. April 2020.

Erfasst wurden Patienten, die

  • Hydroxychloroquin plus Azithromycin,
  • Hydroxychloroquin allein,
  • Azithromycin allein oder
  • keines von beiden Arzneimitteln erhielten.

Der primäre Studienendpunkt war die Sterblichkeit im Krankenhaus. Sekundäre Endpunkte waren Herzstillstand und pathologische EKG-Befunde (Arrhythmie oder QT-Verlängerung).

In die Studie wurden 1438 Patienten mit der Diagnose COVID-19 aufgenommen. Davon waren 858 (60%) männlich und das mediane Alter betrug 63 Jahre. Patienten, die Hydroxychloroquin, Azithromycin oder beides erhielten, litten häufiger an Diabetes mellitus, hatten eine Atemfrequenz >22/min oder einen pathologischen Befund in der Bildgebung der Lunge, eine O2-Sättigung unter 90% und eine Aspartat-Aminotransferase größer als 40 U/L als Personen, die keines der beiden Arzneimittel erhielten.

Hatte die Behandlung einen Effekt auf die Sterblichkeit?

Die Gesamtsterblichkeit im Krankenhaus lag bei 20,3% (95%-KI 18,2%–22,4%). Verteilt auf die einzelnen Gruppen ergaben sich folgende Zahlen:

  • Hydroxychloroquin + Azithromycin: 189 von 735 (25,7%; 95%-KI 22,3%–28,9%)
  • Hydroxychloroquin allein: 54 von 271 (19,9%; 95%-KI 15,2%–24,7%)
  • Azithromycin allein: 21 von 211 (10,0%; 95%-KI 5,9%–14,0%)
  • Keines dieser Arzneimittel : 28 von 221 (12,7%; 95%-KI 8,3%–17,1%)

Die Cox-Proportional-Hazard-Berechnung zeigte keine signifikanten Unterschiede in der Sterblichkeit bei Patienten, die Hydroxychloroquin + Azithromycin erhielten (Hazard Ratio [HR] 1,35; 95%-KI 0,76–2,40), Hydroxychloroquin allein (HR 1,08; 95%-KI, 0,63–1,85) oder Azithromycin allein (HR 0,56; 95% KI 0,26–1,21) verglichen mit Patienten, die keines der beiden Medikamente erhielten.

In logistischen Regressionsmodellen war die Wahrscheinlichkeit, einen Herzstillstand zu erleiden, signifikant höher für Hydroxychloroquin plus Azithromycin (adjustierte Odds-Ratio [OR] 2,13, 95%-KI 1,12–4,05). Dies war nicht der Fall für Hydroxychloroquin allein (OR 1,91; 95%-KI 0,96–3,81) oder Azithromycin allein (OR 0,64; 95% KI-0,27–1,56). Es gab keine Unterschiede in der Häufigkeit pathologischer EKG-Befunde.

Kommentar

Diese retrospektive Kohortenstudie aus dem Großraum New York ergibt keine Hinweise darauf, dass Hydroxychloroquin, Azithromycin, sowie die Kombination von beiden Arzneimitteln die Sterblichkeit im Krankenhaus bei Patienten mit COVID-19-Infektion reduzieren können. Diese Ergebnisse werden unterstützt durch die Resultate von drei weiteren Beobachtungsstudien die ebenfalls keinen Nutzen der Malariamittel fanden (Magagnoli et al., Mahevas et al., Geleris et al.).

Die Studie zeigte auch ein erhöhtes Risiko für einen Herzstillstand bei Patienten, die die Kombination von Hydroxychloroquin und Azithromycin erhielten. Limitationen der Studie sind die Tatsache, dass die Therapie nicht randomisiert war und retrospektiv erhoben wurde. Es gab zudem keine Placebo-Gruppe.

Für die Studie spricht die relativ hohe Patientenzahl. Aufgrund der derzeitigen Evidenzlage können daher Hydroxychloroquin und/oder Azithromycin weder für die Behandlung noch für die Vorbeugung einer COVID-19-Infektion empfohlen werden.

Quelle

Rosenberg ES, Dufort EM, Udo T, Wilberschied LA, Kumar J, Tesoriero J, et al. Association of Treatment With Hydroxychloroquine or Azithromycin With In-Hospital Mortality in Patients With COVID-19 in New York State. JAMA. Published online May 11, 2020. doi:10.1001/jama.2020.8630.

Autor

Foto Prof. Diener
Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener. Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE).