Welche Covid-19-Patienten sind besonders gefährdet?

Anmerkung der Redaktion: Die hier diskutierte Studie wurde von den Autoren mittlerweile zurückgezogen (Stellungnahme der Autoren lesen)

Eine Beobachtungsstudie an 169 Krankenhäusern zeigt, dass Patienten mit Covid-19, die einen ACE-Hemmer oder einen Angiotensinrezeptorblocker einnehmen, keine erhöhte Sterblichkeit haben.

Warum könnten Patienten mit ACE-Hemmern gefährdet sein?

Der Erreger SARS-CoV-2 dringt über den Angiotensin-Converting-Enzyme-2(ACE2)-Rezeptor in die Zellen ein. Dieses Protein findet sich bevorzugt im Herz, im Darm, in der Niere und in alveolären Zellen der Lunge. Daher war rein theoretisch zu befürchten, dass möglicherweise Patienten, die wegen einer arteriellen Hypertonie oder einer Herzinsuffizienz einen ACE-Hemmer oder ein Angiotensinrezeptorblocker einnehmen, ein erhöhtes Risiko für Infektion und für einen schweren Krankheitsverlauf haben.

Was wurde in der Studie untersucht?

Es handelte sich um eine Beobachtungsstudie aus 169 Krankenhäusern in Asien, Europa und Nordamerika. Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen der Mortalität im Krankenhaus bei Patienten mit Covid-19 im Zusammenhang mit vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen und einer Vortherapie mit einem ACE-Hemmer oder einem Angiotensinrezeptorblocker. Die Studie erstreckte sich auf den Zeitraum zwischen Dezember 2019 und März 2020.

Wer war besonders gefährdet?

Die Patienten waren im Mittel 52 Jahre alt. 9% nahmen einen ACE-Hemmer und 6% einen Angiotensinrezeptorblocker ein. Von den 8910 Patienten mit Covid-19 starben insgesamt 515 Menschen im Krankenhaus (5,8%) und 8395 überlebten. Prädiktoren für ein erhöhtes Risiko, im Krankenhaus zu sterben, waren

  • ein Alter von mehr als 65 Jahren (Mortalität von 10,0% vs. 4,9%; Odds-Ratio 1,93; 95%-Konfidenzintervall [KI] 1,60 bis 2,41),
  • eine koronare Herzkrankheit (10,2% vs. 5,2%; Odds-Ratio 2,70; 95%-KI 2,08 bis 3,51),
  • Herzinsuffizienz (15,3% vs. 5,6%; Odds-Ratio 2,48; 95%-KI 1,62 bis 3,79),
  • Herzrhythmusstörungen (11,5% vs. 5,6%, Odds-Ratio 1,95; 95%-KI 1,33 bis 2,86),
  • chronisch obstruktive Lungenerkrankung (14,2% vs. 5,6%; Odds-Ratio 2,96; 95%-KI 2,00 bis 4,40) und
  • Rauchen (9,4 % vs. 5,6 %; Odds-Ratio 1,79; 95%-KI 1,29 bis 2,47).

Es wurde – wie in zwei weiteren aktuellen Studienkein erhöhtes Risiko für die Mortalität im Krankenhaus für die Einnahme von ACE-Hemmern (2,1% vs. 6,1%; Odds-Ratio 0,33; 95%-KI 0,20 bis 0,54) oder Angiotensinrezeptorblockern festgestellt (6,8% vs. 5,7%; Odds-Ratio 1,23; 95%-KI 0,87 bis 1,74).

Kommentar

Die vorliegende Registerstudie aus 169 Krankenhäusern zeigt, dass vorbestehende Erkrankungen wie eine koronare Herzerkrankung oder eine Herzinsuffizienz das Risiko erhöhen, an Covid-19 zu versterben. Dies gilt auch für die COPD und das Rauchen. Wie in anderen Studien zeigte sich hier eine bessere Prognose bei Frauen verglichen mit Männern. Aufgrund des molekularen Mechanismus, mit dem die Viren in menschliche Zellen eindringen, war befürchtet worden, dass die Einnahme von Angiotensinrezeptorblockern oder ACE-Hemmern die Prognose verschlechtern könnte. Dies war in der vorliegenden Studie nicht der Fall. Patienten, die ACE-Hemmer einnahmen, hatten sogar eine signifikant bessere Prognose. Dies galt überdies auch für die Einnahme von Statinen.

Quelle

Mehra MR, et al. Cardiovascular disease, drug therapy, and mortality in Covid-19. N Engl J Med 2020. DOI: 10.1056/NEJMoa2007621

Autor

Foto Prof. Diener
Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener. Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE).