COVID-19: Welchen Einfluss haben Blutdruckmedikamente?

Anmerkung der Redaktion: Die hier unter anderen diskutierte Studie von Mehra et al. wurde von den Autoren mittlerweile zurückgezogen (Stellungnahme der Autoren lesen)

Drei aktuelle Studien bestätigen, dass Blutdruck-senkende Arzneimittel nicht das Risiko erhöhen, an COVID-19 zu erkranken oder zu versterben. Darauf weist die Deutsche Hochdruckliga hin.

„Bluthochdruckpatienten können ihre Therapie bedenkenlos fortsetzen“

Am 1. Mai 2020 erschienen im „New England Journal of Medicine“ drei Studien, die zeigen, dass ACE(Angiotensin-converting enzyme 2)-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) weder das Risiko erhöhen, an COVID-19 zu erkranken, noch, dass die Erkrankung besonders schwer verläuft. Die Deutsche Hochdruckliga weist in einer Pressemitteilung vom 2. Mai darauf hin, dass die „Datenlage als sehr solide einzustufen“ ist und betont, dass „Bluthochdruckpatienten ihre Therapie bedenkenlos fortsetzen“ können.

Warum gab es Bedenken? Es ist bekannt, dass SARS-CoV-2 über das Enzym ACE2 in die Zellen gelangt. Tierexperimentelle Studien hatten gezeigt, dass gängige blutdrucksenkende Arzneimittel ACE2 hochregulieren. Klinische Studien zeigten zwar keine höheren Risiken für Patienten, die Blutdruck-senkende Arzneimittel einnehmen, dennoch gab es Verunsicherung.

Die Datenlage wird nun durch drei Beobachtungsstudien erweitert. Sie kommen allsamt zu dem Ergebnis, dass ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker

  • weder einen schweren oder gar tödlichen Verlauf einer COVID-19-Erkrankung begünstigen
  • noch anfälliger für eine SARS-CoV-19-Infektion machen.

Die Studien im Einzelnen

Mehra et al.

In der Studie von Mehra et al. analysierten die Wissenschaftler verschiedene Risikofaktoren für eine höhere Sterblichkeit von COVID-19-Erkrankungen. Sie werteten weltweit Daten von fast 9000 Patienten aus, von denen 515 im Krankenhaus starben und 8395 wieder entlassen werden konnten.

Mit einer erhöhten Sterblichkeit verbundene Risikofaktoren waren:

  • Alter >65 Jahre (10,0% vs. 4,9%, Odds-Ratio 1,93)
  • Koronare Herzkrankheit (10,2% vs. 5,2%, Odds-Ratio 2,70)
  • Herzinsuffizienz (15,3% vs. 5,6%, Odds-Ratio 2,48)
  • Herzrhythmusstörungen (11,5% vs. 5,6%, Odds-Ratio 1,95)
  • Chronische obstruktive Lungenerkrankung (COPD, 14,2% vs. 5,6%, Odds-Ratio 2,96)
  • Rauchen (9,4% vs. 5,6%, Odds-Ratio 1,79)

Ohne erhöhte Sterblichkeitsrate verbunden war die Einnahme von:

  • ACE-Hemmern (2,1% vs. 6,1%, Odds-Ratio 0,33)
  • Angiotensin-Rezeptor-Blockern (6,8% vs. 5,7%, Odds-Ratio 1,23)

Dr. med. Hans-Christoph Diener kommentiert diese Studie in seinem Beitrag „Welche Covid-19-Patienten sind besonders gefährdet?“.

Diese Studie wurde von den Autoren mittlerweile zurückgezogen (Stellungnahme der Autoren lesen).

Mancia et al.

In der Studie von Mancia et al. wurden 6272 COVID-19-Patienten aus der Lombardei/Italien mit einer Kontrollgruppe mit fast 31.000 Patienten verglichen. Zwar nahmen in der COVID-19-Gruppe mehr Patienten Blutdrucksenker ein, die Einnahme war aber kein eigenständiger Risikofaktor. Vielmehr litten die Patienten häufiger unter kardiovaskulären Erkrankungen.

Es gab keine Assoziation von Angiotensin-Rezeptor-Blockern oder ACE-Hemmern

  • mit einer COVID-19-Erkrankung allgemein (angepasstes Odds-Ratio 0,95 bzw. 0,96) oder
  • mit einem schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf (angepasstes Odds-Ratio 0,83 bzw. 0,91).

Reynolds et al.

In der Studie von Reynolds et al. wurden Daten von 12.600 Patienten aus den USA ausgewertet, die auf SARS-CoV-2 getestet worden waren. 5894 (46,8%) waren positiv, 1002 (17,0%) schwer erkrankt. 4357 Patienten (34,6%) hatten Hypertonie. Von diesen Patienten war mehr als die Hälfte positiv getestet worden, 25% hatten einen schweren Krankheitsverlauf. Blutdrucksenker waren auch hier weder mit einem erhöhten Risiko für einen positiven Test auf SARS-CoV-2, noch für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf verbunden.

„Studien untermauern bisherige Datenlage“

Die Autoren eines begleitenden Editorials im New England Journal of Medicine kommentieren die Ergebnisse folgendermaßen:

„Zusammengenommen liefern diese drei Studien keine Belege für die Hypothese, dass die Verwendung von ACE-Hemmern oder ARB mit dem Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion, einer schweren COVID-19-Infektion bei Infizierten oder dem Versterben im Krankenhaus bei einem positiven Test verbunden ist. Jede dieser Studien weist die Schwächen von Beobachtungsdaten auf. Wir finden es jedoch beruhigend, dass drei Studien in unterschiedlichen Populationen und mit unterschiedlichem Design zu der konsistenten Botschaft gelangen, dass die fortgesetzte Verwendung von ACE-Hemmern und ARBs bei Patienten mit COVID-19 wahrscheinlich nicht schädlich ist.“

Ähnlich kommentierte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Hochdruckliga, Prof. Dr. med. Ulrich Wenzel, Hamburg, die Studienergebnisse in der Pressemitteilung:

„Diese drei Studien untermauern die bisherige Datenlage, dass Blutdruckmedikamente im Hinblick auf SARS-CoV-2 sicher sind und Blutdruckpatientinnen und -patienten in der aktuellen Pandemiesituation nicht gefährden.“

Quellen

  • Mehra MR, et al. Cardiovascular disease, drug therapy, and mortality in Covid-19. N Engl J Med. DOI: 10.1056/NEJMoa2007621.
  • Mancia G, et al. Renin-angiotensin-aldosterone system blockers and the risk of Covid-19. N Engl J Med. DOI: 10.1056/NEJMoa2006923.
  • Reynolds HR, et al. Renin-angiotensin-aldosterone system inhibitors and risk of Covid-19. N Engl J Med. DOI: 10.1056/NEJMoa2008975.
  • Jarcho JA, et al. Inhibitors of the renin-angiotensin-aldosterone system and Covid-19. N Engl J Med DOI: 10.1056/NEJMe2012924.