Sieben deutsche Fachgesellschaften haben eine gemeinsame Handlungsempfehlung herausgebracht, wie im Falle von Ressourcenknappheit entschieden werden soll, wer intensivmedizinisch noch behandelt wird.
Ressourcenknappheit
Italien und Spanien haben gezeigt: Bei einer schlagartigen Erhöhung der COVID-19-Fälle steigt auch die Anzahl an benötigten Beatmungsplätzen. Diese sind allerdings begrenzt. Das stellt die Ärzte vor ein ethisches Dilemma. Wenn nicht genug intensivmedizinische Plätze vorhanden sind, muss anhand irgendwelcher Kriterien entschieden werden, wer eine Behandlung erhält und wer nur noch palliativmedizinisch betreut wird.
Diese Kriterien wurden nun von sieben Fachgesellschaften in Deutschland anhand einer gemeinsamen Handlungsempfehlung festgelegt. Die beteiligten Fachgesellschaften waren:
- die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI),
- die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA),
- die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI),
- die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN),
- die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP),
- die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und
- die Akademie für Ethik in der Medizin (AEM)
Kriterium ist die klinische Erfolgsaussicht – nicht das Alter
Der Schweregrad der aktuellen Erkrankung sowie relevante Begleiterkrankungen (z.B. schwere vorbestehende Organdysfunktion mit prognostisch eingeschränkter Lebenserwartung) spielen dabei eine wesentliche Rolle. Auch der (vorher festgelegte) Patientenwille ist fester Bestandteil. Anders sieht es mit dem Alter und sozialen Kriterien aus: Diese sind explizit als Entscheidungskriterien nicht zulässig.
Alle Patienten werden berücksichtigt
Darüber hinaus sieht die Empfehlung nach dem Prinzip der Gleichberechtigung vor, dass die Auswahl unter allen Patienten erfolgen sollte, unabhängig davon:
- auf welcher Station (Intensiv-/, Normalstation oder Notaufnahme) sich ein Patient befindet und
- um welche Erkrankung (z. B. COVID-19-, Schlaganfallpatient oder Unfallopfer) es sich handelt.
Das vollständige Dokument ist auf der Homepage der DIVI zu finden (PDF).
Interprofessionelles Mehr-Augen-Team-Prinzip
Sollte es notwendig werden, dass eine Entscheidung getroffen werden muss, sieht die Handlungsempfehlung vor, dass möglichst zwei intensivmedizinisch erfahrene Ärzte, inkl. Primär- und Sekundärbehandler + möglichst Vertreter der Pflege und bei Bedarf weiterer Disziplinen (z. B. Klinische Ethik) für die Entscheidung herangezogen werden sollten. Die palliativmedizinische Versorgung muss dabei immer gewährleistet sein.
DIVI-Intensivregister
Innerhalb kürzester Zeit hat die DIVI ein Intensivregister auf die Beine gestellt – eine Datenbank, in der Intensivstationen unter anderem ihre derzeitige Belegung sowie Fallzahlen behandelter COVID-19-Patienten melden. Die DIVI veröffentlicht dabei ab sofort täglich Kartenansichten, die die regionalen Patientenzahlen und die verfügbaren Kapazitäten auf Intensivstationen, besonders für beatmungspflichtige Patienten, darstellen. Mit der wachsenden Zahl teilnehmender Kliniken wird daher ab sofort erkennbar, wie sich die Zahl freier Intensivbetten im Verhältnis zu den schwer verlaufenden Infektionen weiterentwickelt.
Fazit
Aktuell wird politisch sehr viel unternommen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Ein Hauptanliegen ist, das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren. Die begrenzte Anzahl an Beatmungsplätzen ist hierbei entscheidend. Die Handlungsempfehlung ist definitiv ein richtiger Schritt, da zuvor festgelegte (objektive) Kriterien über die Behandlung eines Patienten entscheiden und ein Arzt nicht die alleinige Entscheidung über Leben und Tod übernimmt. Dies ist auch für die Ärzte im Nachgang wichtig, um einem möglichen Trauma, wie es in Italien von Ärzten berichtet wird, entgegen zu wirken.
Es bleibt dennoch zu hoffen, dass es in Deutschland nicht so weit kommt. Die Kontaktsperre, die hier beschlossen wurde, ist eine solche Maßnahme, die die Verbreitung verlangsamen soll. Dass diese zu anderen Problemen führt, ist aber auch bekannt. Ein Aspekt ist zum Beispiel die psychische Auswirkung von Isolation. Wie die palliativmedizinische Versorgung schwerstkranker Coronapatienten aussieht, können Sie hier lesen.