Quarantäne schlecht für die Psyche

Eine angeordnete Isolation kann sich negativ auf die Psyche Betroffener auswirken. Sie reagieren mit posttraumatischen Stresssymptomen, Verwirrung und Verärgerung. Heißt das, man solle keine Quarantäne anordnen? Oder gibt es Möglichkeiten, die Quarantäne gut zu überstehen?

Angeordnete Quarantäne

Um eine Ausbreitung  von SARS-CoV-2 zu vermeiden, müssen Infektionsketten so schnell wie möglich unterbrochen werden. Dies gelingt laut RKI, wenn Kontaktpersonen von labordiagnostisch bestätigten Infektionsfällen möglichst lückenlos identifiziert und für zwei Wochen (max. Inkubationszeit) unter häusliche Quarantäne gestellt werden.

Die Anordnung der Quarantäne erfolgt auf Basis des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) durch die örtlich zuständigen Landesgesundheitsbehörden. Diese haben das Recht, die Isolationsmaßnahmen auch gegen den Willen der Betroffenen zu bestimmen und durchzusetzen. Hier wird der Schutz der Allgemeinheit gegen die persönliche Freiheit abgewogen. Wer gegen die angeordnete Quarantäne verstößt, kann nach IfSG mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft werden. Überprüft wird die Einhaltung der Quarantäne unter anderem durch tägliche Anrufe durch das Gesundheitsamt.

Doch wie geht es Menschen, die gezwungen werden, in ihrer Wohnung zu bleiben? Dieser Frage ging ein aktuell im Lancet erschienener Review nach.

Gut für den Infektionsschutz, schlecht für’s Gemüt

Eingeschlossen wurden 24 Untersuchungen zur Auswirkung von Quarantänemaßnahmen auf das psychische Befinden. Krankheiten, die in diesen Studien zu Isolationsmaßnahmen geführt hatten, waren unter anderem SARS, Ebola, H1N1 oder MERS. Die Autoren schreiben, dass durch Beschneidung der persönlichen Freiheit, Unsicherheit über den Krankheitsstatus, mangelnde Versorgung und Information oder Langeweile teilweise massive Konsequenzen zutage traten. Dazu zählten Berichte über Selbstmorde, massiven Zorn oder Rechtsstreitigkeiten.

Die verschiedenen eingeschlossenen Studien zeigten unterschiedliche (Kurz- und Langzeit-)Folgen. Beispielsweise zeigte Krankenhauspersonal, das unter Quarantäne gestellt wurde, danach häufiger unter anderem Erschöpfung, Angst mit fiebernden Patienten umzugehen, mangelnde Konzentration, keine Entscheidungsfreudigkeit, schlechtere Arbeitsleistung beziehungsweise größere Abneigung gegen den Job.

Einige Studien berichteten allgemeiner: Depressive Verstimmungen oder Depressionen, Verwirrung, Schlafstörungen oder Verärgerung waren Symptome, die mit hoher Prävalenz nach einer Quarantäne auftauchten. Zudem waren öfter Vermeidungsstrategien zu beobachten: Umgang mit Patienten bei Krankenhauspersonal, aber auch allgemeine Meidung des öffentlichen Lebens oder zumindest größerer Menschenansammlungen oder anderer Personen, die irgendwie geartete Krankheitssymptome, z.B. Schnupfen, zeigten.

Teilweise hielten diese Symptome nur einige Tage oder Wochen, in manchen Fällen aber auch Monate an.

Was löst diesen Stress aus?

Verschiedene Stressfaktoren befeuern die negativen Gefühle während und auch noch nach einer Quarantäne:

  • Die Dauer der Isolation: Je länger sie dauerte, desto häufiger waren die psychischen Beeinträchtigungen. Schon ab 10 Tagen war dies signifikant.
  • Angst vor Infektion
  • Frustration und Langeweile
  • Mangelhafte Versorgung: Einige der Studien zeigten, dass die Menschen während der Isolation nur unregelmäßig mit Wasser oder Lebensmitteln ausgestattet wurden. Auch Masken oder Thermometer zur angeordneten Temperaturmessung kamen spät oder sogar gar nicht.
  • Fehlende Transparenz und Informationen
  • finanzielle Sorgen

Besser keine Quarantäne mehr?

Die Autoren betonen, dass all dies nicht bedeute, eine notwendige Quarantäneanordnung zu unterlassen. Vielmehr hieße das, zum einen Nutzen und Risiken einer angeordneten Quarantäne sorgfältig gegeneinander abzuwägen und zum anderen Anstrengungen zu unternehmen, die Quarantäne für Betroffenen so erträglich wie möglich zu gestalten.
Dies kann durch folgendes erreicht oder zumindest verbessert werden:

  • So viele Informationen wie möglich zur Verfügung stellen, d.h. Aufklärung, warum die Maßnahmen notwendig sind und wie lange die Quarantäne (so kurz wie möglich) andauern wird
  • Versorgung der Betroffenen mit Lebensmitteln, Wasser und Arzneimitteln sicherstellen
  • Möglichkeiten einer sinnvollen Beschäftigung schaffen, z.B. Homeoffice
  • Finanzieller Ausgleich
  • Appell an die Selbstlosigkeit und Verantwortung, die den Betroffenen das Gefühl gibt, an der Entscheidung zur Isolation selbst beteiligt gewesen zu sein.