Wechseljahresbeschwerden führen so manche Frau in die hausärztliche Praxis. Wie lassen sich die Symptome richtig einordnen? Wann sollte eine Hormonersatztherapie in Erwägung gezogen werden? Die neue S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Intervention“ gibt Medizinern Handlungsempfehlungen für den Praxisalltag.
Neue S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Intervention“
Viele Frauen leiden irgendwann mehr oder weniger ausgeprägt unter Wechseljahresbeschwerden. Typische Symptome, die die Lebensqualität beeinflussen können, sind Hitzewallungen, nächtliches Schwitzen, Schlafstörungen, Reizbarkeit sowie im späteren Verlauf urogenitale Veränderungen wie vaginale Trockenheit oder gehäuftes Auftreten von Harnwegsinfekten.
Betroffene Frauen sind nicht selten noch berufstätig. Sie können und wollen sich von solchen Beschwerden nicht einschränken lassen. Eine Hormonersatztherapie (HRT) kann helfen, ist aber nicht immer nötig. Zudem ist sie mit Risiken verknüpft. Laut der aktuellen S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Intervention“ sollte sie nur bei eindeutiger Indikation und sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen.
Der umfangreiche Leitfaden zur Diagnostik und zu Interventionsmöglichkeiten wurde gemeinsam von den deutschsprachigen Gesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe nach Vorgaben der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) erarbeitet. Die Leitlinie richtet sich an Ärzte, die peri- und postmenopausale Frauen über die physiologischen Veränderungen sowie Störungen und deren Behandlungsmöglichkeiten beraten und behandeln.
Im Folgenden werden die Kernbotschaften aus der Leitlinie zusammengefasst.
Stärke der Empfehlung
Empfehlungsgrad
- A: starke Empfehlung mit hoher Verbindlichkeit (soll/soll nicht)
- B: Einfache Empfehlung mit mittlerer Verbindlichkeit (sollte/sollte nicht)
- 0: Offene Empfehlung mit geringer Verbindlichkeit (kann/kann nicht)
Konsensusstärke
- +++: starker Konsens (Zustimmung von >95% der Teilnehmer)
- ++: Konsens (Zustimmung von >75 bis 95% der Teilnehmer)
Kernbotschaften zur Diagnostik
- Die Peri- und Postmenopause bei über 45-jährigen Frauen soll aufgrund klinischer Parameter diagnostiziert werden (Empfehlungsgrad A, Konsensusstärke ++)
- Eine Bestimmung von Hormonspiegeln zur Diagnose der Peri- und Postmenopause soll nur bei Frauen zwischen dem 40. und 45. Lebensjahr mit klimakterischen Symptomen (z.B. Hitzewallungen, Zyklusveränderungen) sowie bei Frauen unter 40 Jahren mit Hinweisen auf vorzeitige Ovarialinsuffizienz erfolgen (Empfehlungsgrad A, Konsensusstärke ++)
Kernbotschaften zur Therapie
Die Therapie der Wechseljahresbeschwerden soll an die individuellen Bedürfnisse der betroffenen Frau sowie an die sich im Verlauf ändernden Symptome angepasst werden.
Frauen mit vasomotorischen Beschwerden soll eine HRT angeboten werden, nachdem sie über die kurz- (bis zu 5 Jahren) und langfristigen Nutzen und Risiken informiert wurden. Für nichthysterektomierte Frauen kommt eine Östrogen-Gestagen-Behandlung (EPT) mit adäquatem Gestagenanteil, für hysterektomierte Frauen eine Östrogentherapie (ET) in Betracht (Empfehlungsgrad A, Konsensusstärke ++).
Nach Beginn einer HRT sollten regelmäßige Kontrollen beim Frauenarzt erfolgen, auch im Hinblick auf Krebsfrüherkennungsuntersuchungen.
Interventionen bei Hitzewallungen
- Ein nachgewiesener Nutzen bei geringem Risiko besteht der Leitliniengruppe zufolge für Abwarten oder Placebo, Achtsamkeitstraining und kognitive sowie Verhaltenstherapie (CBT).
- Ein möglicher Nutzen bei geringem Risiko besteht für Cimicifuga 5–6,5 mg/Tag, Isoflavone 30-80mg/Tag inklusive phytoöstrogenreicher Ernährung, Rotklee, S-Equol, Genistein 30-60 mg/Tag, Rheum rhapontikum, Johanniskraut 300 mg/Tag und Akupunktur.
Cave: Die Sicherheit vieler Präparate mit Cimicifuga und Phytotherapie ist ungewiss, auch aufgrund der unterschiedlichen Zubereitungen. - Ein nachgewiesener Nutzen bei mittlerem Risiko für Schaden oder Therapieabbruch besteht für Östrogene und Tibolon.
- Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRIs), Clonidin und Gabapentin sollen nicht routinemäßig als Mittel erster Wahl gegen vasomotorische Symptome verordnet werden. Es besteht ein möglicher Nutzen bei mittlerem Risiko.
- Sport (3 bis 6 Monate), Tiefenentspannung (4 bis 12 Wochen) oder Vitamin E haben wahrscheinlich keinen Nutzen, aber ebenso ein geringes Risiko.
- Anders sieht es bei chinesischen Kräutern im Rahmen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und für Melatonin aus: Hier ist ein Nutzen ebenfalls unwahrscheinlich, das mögliche Risiko ist jedoch nicht ausreichend untersucht.
Interventionen bei sexueller Dysfunktion
Leiden Frauen während der Peri- oder Postmenopause unter Libidoverlust, kann gegebenenfalls off-label eine Testosterontherapie erwogen werden, wenn sich die HRT als nicht wirksam erwies (Empfehlungsgrad 0, Konsensusstärke ++).
Interventionen bei vaginaler Atrophie
Typische Symptome vaginaler Atrophie sind Scheidentrockenheit, Entzündungen, Brennen, Juckreiz, Rötung und leichte Blutungen. Frauen mit symptomatischer urogenitaler Atrophie soll empfohlen werden, Befeuchtungs- oder Gleitmittel allein oder zusammen mit einer vaginalen Östrogentherapie anzuwenden (Empfehlungsgrad A, Konsensusstärke +++).
Die S3-Leitlinie im Internet
Die komplette Leitlinie ist abrufbar auf den Seiten der AWMF: Peri- und Postmenopause – Diagnose und Interventionen. Leitlinien der DGGG,SGGG und OEGGG (S3-Level, AWMF-Registrierungsnr. 015-062. Januar 2020). https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-062.html
Pro und Kontra HRT
Auf ihrem Vortrag auf der Interpharm 2019 fasste die Gynäkologin Prof. Dr. med. Vanadin Seifert-Klauss, München, Mythen rund um die HRT zusammen. Demnach reduziert die Hormontherapie die Frequenz und den Schweregrad von Hitzewallungen und verbessert urogenitale Symptome wie wiederkehrende Harnwegsinfekte, Gelenkschmerzen und Schlafstörungen. Es treten zudem weniger Wirbelkörperfrakturen auf und bei Frauen bis 60 Jahren sind die Herzinfarktrate und die Sterblichkeit reduziert.
Dem gegenüber stehen nachgewiesene Risiken wie eine erhöhte Thrombose-, Embolie- und Apoplexrate, ein gering erhöhtes Risiko für Mamma- und Ovarialkarzinome und – wenn die Therapie erst mit 70 Jahren oder älter beginnt – eine erhöhte Herzinfarktrate und Sterblichkeit.