Betablocker erhöhen wahrscheinlich nicht das Risiko, an Morbus Parkinson zu erkranken. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) in einer Pressemitteilung hin. Sie beruft sich auf die Ergebnisse einer aktuellen Übersichtsarbeit.
Beobachtungsstudien zeigen keinen Kausalzusammenhang
Hinweise aus Zellexperimenten und epidemiologischen Beobachtungsstudien deuten darauf hin, dass Patienten, die über lange Zeit Beta-Rezeptor-Antagonisten („Betablocker“) einnehmen, häufiger an Morbus Parkinson erkranken. Vor allem Propranolol soll im Zusammenhang mit einem höheren Erkrankungsrisiko stehen. Beobachtungsstudien können zwar keine Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nachweisen, die Studienergebnisse verunsicherten jedoch einige Ärzte. Sie fragten bei der DGN an, ob ihre Patienten sicherheitshalber Propranolol absetzen sollten.
Experten haben den aktuellen Erkenntnisstand in einer Übersichtsarbeit zusammengefasst und in der Fachzeitschrift „Lancet Neurologie“ publiziert. Ein kausaler Zusammenhang konnte nicht gezeigt werden.
Die Autoren warnen stattdessen Patienten davor, die Medikation aus Sorge vor einer Parkinson-Erkrankung abzusetzen. Der Nutzen der Betablocker (beispielsweise nach einem Herzinfarkt), sei um ein Vielfaches höher als das mögliche Parkinson-Risiko. Darauf weist die DGN in einer Pressemitteilung vom 28. Januar 2020 hin.
Das „Henne-Ei-Problem“
Patienten mit einem unspezifischen Tremor erhalten zur Therapie nicht selten Betablocker, darunter Propranolol. Ein unspezifischer Tremor gehört allerdings zu den sehr frühen Parkinson-Vorzeichen. Der Betablocker ist dann jedoch nicht Verursacher der Erkrankung, sondern wurde vielmehr aufgrund früher Symptome verschrieben.
Und tatsächlich: In der aktuellen Übersichtsarbeit zeigte sich, dass das Parkinson-Risiko unter Betablockern nicht mehr erhöht war, wenn Patienten mit Tremor aus den Berechnungen ausgeschlossen wurden. Der gleiche Effekt zeigte sich für Primidon, das ebenfalls zur Tremorbehandlung eingesetzt wird.
Rein rechnerisch kommt es bei 10.000 Patienten und einer bei einer Propranolol-Einnahme über fünf Jahre zu einer Parkinsonerkrankung.
Der Neurologe Prof. Dr. Günther Deuschl kommentierte dieses Risiko:
„Das entspricht in der Pharmakologie dem Status einer äußerst seltenen Nebenwirkung. Ärzte und Patienten sollten daher keinesfalls in Panik geraten und aus Sorge, als Spätfolge der Therapie eine Parkinson-Krankheit zu induzieren bzw. zu erleiden, Betablocker absetzen. Damit würde der Gesundheit mehr geschadet als genutzt.“
Die DGN weist darauf hin, dass eine Blockade von Beta-Rezeptoren bei Bluthochdruck und einigen Herzerkrankungen erwiesenermaßen lebensverlängernd ist. Auch bei neurologischen Erkrankungen wie Migräne und essenziellem Tremor steigern sie die Lebensqualität der Betroffenen deutlich.
Auch kein Kausalzusammenhang für die umgekehrte Assoziation
Die Assoziation zwischen Beta-Rezeptor-Agonisten (Salbutamol) und einem vor Parkinson schützenden Effekt konnte ebenfalls bislang nicht bestätigt werden. In Beobachtungsstudien hatte sich gezeigt, dass Raucher seltener als Nichtraucher an Parkinson erkranken. Doch gerade starke Raucher gehören oft zu der Gruppe chronisch lungenkranker Patienten, die regelmäßig Beta-Rezeptor-Agonisten verordnet bekommt. Ein vermeintlich schützender Effekt der Beta-Agonisten könnte bei diesen Patienten also auch über den Nikotinkonsum zu erklären sein.
Die Neurologin Priv.-Doz. Dr. Franziska Hopfner kommentierte die Ergebnisse folgendermaßen:
„Natürlich ist Nikotin nicht als Parkinson-Prophylaxe zu empfehlen. Das Risiko, an den bekannten Folgen des Rauchens zu erkranken und zu versterben, ist deutlich höher als überhaupt eine Parkinson-Erkrankung zu bekommen. Umgekehrt ergibt es natürlich auch keinen Sinn, zur Senkung des Parkinson-Risikos auf Betablocker zu verzichten und dafür beispielsweise einen Herzinfarkt zu riskieren oder einen Bluthochdruck nicht zu behandeln.“
Quelle
- Hopfner F, Höglinger GU, Kuhlenbäumer G, Pottegård A, Wod M, Christensen K, Tanner CM, Deuschl G. β-adrenoreceptors and the risk of Parkinson’s disease. Lancet Neurol 2020. January 27, 2020 DOI: https://doi.org/10.1016/S1474-4422(19)30400-4.
- Pressemitteilung der DGN vom 28. Januar 2020.