7 Antworten zur Migräneprophylaxe mit CGRP-Hemmern

Sind die neuen Antikörper bei Migräne wirksamer als die bisherige medikamentöse Prophylaxe? Und welche Patienten sollten sie bekommen?

Die Gesellschaft für Neurologie (DGN) hat in Zusammenarbeit mit der Deutschen Migräne-und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) eine Ergänzung zur Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ verfasst. Darin wird der Einsatz von CGRP-Hemmern diskutiert.

1.) Sind monoklonale Antikörper (monoclonal antibodies = MOAB) gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor bei der episodischen Migräne prophylaktisch wirksam?

Die monoklonalen Antikörper gegen CGRP (Eptinezumab, Fremanezumab und Galcanezumab) oder gegen den CGRP-Rezeptor (Erenumab) sind bei der prophylaktischen Therapie der episodischen Migräne einer Behandlung mit Placebo überlegen. Die Reduktion der Migränetage pro Monat bei der episodischen Migräne beträgt zwischen 2,9 und 4,7 Tagen. Die 50%-Responderrate nach 3–6 Monaten liegt dabei zwischen 30 % und 62 %. Die 50%-Responderraten für Placebo liegen zwischen 17 und 38 %. Die Wirksamkeit kann innerhalb von 4–8 Wochen evaluiert werden. Ein direkter Vergleich der monoklonalen Antikörper untereinander ist ebenso wenig möglich wie ein Vergleich mit den bisher zur Verfügung stehenden Migräneprophylaktika.

2.) Sind monoklonale Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor bei der chronischen Migräne prophylaktisch wirksam?

Die monoklonalen Antikörper gegen CGRP (Eptinezumab, Fremanezumab und Galcanezumab) oder gegen den CGRP-Rezeptor (Erenumab) sind in der prophylaktischen Therapie der chronischen Migräne einer Behandlung mit Placebo überlegen. Die Reduktion der Migränetage pro Monat liegt für die chronische Migräne zwischen 4,3 und 6,6 Tagen. Die Responderrate nach 3 Monaten liegt zwischen 27 und 57 %. Die 50%-Responderraten für Placebo liegen zwischen 15 und 40 %. Die Wirksamkeit konnte auch für Patienten mit Kopfschmerzen durch Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln (medication overuse headache = MOH) gezeigt werden. Ein direkter Vergleich der monoklonalen Antikörper untereinander ist ebenso wenig möglich wie ein Vergleich mit den bisher zur Verfügung stehenden Migräneprophylaktika.

3.) Welche Patienten sollten einen monoklonalen Antikörper zur Migräneprophylaxe bekommen?

Die Zulassung besteht für die Behandlung einer Migräne mit mindestens 4 Migränetagen/Monat. Nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) ist eine Verordnung bei Patienten mit episodischer Migräne möglich, wenn mindestens 5 Substanzen aus den 4 verfügbaren, zugelassenen medikamentösen pharmakologischen Gruppen wie Betablocker (Metoprolol oder Propranolol), Flunarizin, Topiramat, Valproinsäure oder Amitriptylin nicht wirksam waren, nicht vertragen wurden oder wenn gegen deren Einnahme Kon­traindikationen oder Warnhinweise bestehen. Bezüglich Patienten mit chronischer Migräne wird empfohlen, dass diese zusätzlich nicht auf eine Therapie mit Onabotulinumtoxin A angesprochen haben.

4.) Wie wird der Therapieerfolg evaluiert?

Bei der episodischen und chronischen Migräne ist ein Therapieerfolg definiert als eine Reduzierung der durchschnittlichen monatlichen Kopfschmerztage um 50 % oder mehr im Vergleich zur Vorbehandlung über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten (Tagebuch-Dokumentation wird empfohlen).

Alternative klinisch akzeptable Kriterien sind signifikante Verbesserungen von validierten, migränespezifischen, patientenbezogenen Outcome-Messungen wie:

  • eine 30%ige Reduzierung des MIDAS-Scores für diejenigen mit Basiswerten über 20
  • Reduzierung der Punktzahl beim 6-Punkte-Headache-Impact-Test (HIT-6) um mindestens 5 Punkte.

5.) Wie lange sollte die Therapie erfolgen?

Die Therapie sollte zunächst für 3 Monate erfolgen. Wenn kein befriedigender Therapieeffekt besteht, wird die Therapie beendet. Bei Wirksamkeit der Therapie sollte nach 6–9 Monaten ein Auslassversuch unternommen werden, um zu überprüfen, ob die Therapie noch notwendig ist.

6.) Welche Gegenanzeigen und Warnhinweise bestehen für den Einsatz von monoklonalen Antikörpern?

Monoklonale Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor sollen bei Schwangeren und während der Stillzeit nicht eingesetzt werden. Sie sollten nicht eingesetzt werden bei Frauen, die keine oder keine ausreichende Kontrazeption betreiben. Weiterhin sollten sie vorsichtshalber nicht eingesetzt werden bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung, ischämischem Insult, Subarachnoidalblutung oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit. Für Kinder und Jugendliche gibt es bisher keine Informationen zur Verträglichkeit und Sicherheit. Monoklonale Antikörper sollten bis auf Weiteres nicht bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen, COPD, pulmonaler Hypertension, M. Raynaud, Wundheilungsstörungen oder bei Transplantationsempfängern eingesetzt werden. Da die vorliegenden Studien bislang ausschließlich Patienten ohne relevante Vorerkrankungen eingeschlossen haben, sollte bei Patienten mit chronischen Vorerkrankungen zurückhaltend vorgegangen werden.

7.) Ist es sinnvoll, bei Nichtansprechen der Therapie mit einem CGRP-Antagonisten auf einen CGRP-Rezeptorantagonisten zu wechseln und umgekehrt?

Zu dieser Frage gibt es keine Daten aus den randomisierten Studien oder Registern. Der Versuch einer Therapieumstellung scheint gerechtfertigt.

 


Die Leitlinie erscheint im Märzheft der Arzneimitteltherapie und kann kostenlos bereits vorab als PDF heruntergeladen werden.


Quelle

DGN/DMKG: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie: Prophylaxe der Migräne mit monoklonalen Antikörpern gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor. Ergänzung der Leitlinie 030/057 Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. Stand: 30. August 2019