Aus Fehlern lernen wir …

… sofern wir von ihnen erfahren. Zum Wohl der Forschung sollten wir offener sein für Misserfolge – und deren Veröffentlichung. Dazu rufen Enrica Alteri und Lorenzo Guizzaro von der europäischen Arzneimittelagentur EMA in der Zeitschrift Nature auf.

Der Zugang zu enttäuschenden Ergebnissen aus der Arzneimittelentwicklung würde den gesamten wissenschaftlichen Prozess voranbringen, erklären Alteri und Guizzaro in einem Kommentar in der Fachzeitschrift. Sie stellen ein Projekt vor, das Schule machen sollte.

Bis zur Marktreife schaffen es die wenigsten

20 Jahre und mehr kann es dauern, bis ein neues Arzneimittel auf den Markt kommt – von ersten präklinischen Tests bis hin zu den klinischen Studien mit hunderten bis tausenden von Probanden. Mehr als 80% der am Menschen getesteten Arzneistoffe zeigen letztendlich nicht die nötige Sicherheit und Wirksamkeit und schaffen es nicht bis zur Marktreife. Für die Alzheimer-Krankheit wird sogar von mehr als 99% Schwund ausgegangen.

Was passiert mit den Daten, die während der Entwicklung von all den Arzneistoffen gewonnen werden, die es nicht geschafft haben? Von den anfangs erfolgversprechenden Pathways und Targets, die sich später als Sackgasse erweisen? Diese Informationen verlassen nur selten die Türen des Unternehmens. Doch wie sollen dann andere daraus lernen und kommende Studien besser konzipieren?

Erste Bestrebungen zur Verbesserung dieses Problems gab es schon vor einigen Jahren. Studien müssen vorab registriert werden. In Publikationen werden mehr Daten zur Verfügung gestellt. Doch gerade bei Publikationen mit negativem Outcome fehlen wichtige Zusammenhänge aus prä- oder frühklinischen Studienphasen – wenn es überhaupt eine Publikation über die Anmeldung im Studienregister hinaus gibt. Ein weiteres Problem ist die lange Zeitspanne zwischen Datenerzeugung und (eventueller) -zugänglichkeit.

Um hier Abhilfe zu schaffen, müssten die Pharmaunternehmen untereinander und mit den Arzneimittelbehörden mehr zusammenarbeiten.

„Daten, die die Erwartungen der Arzneimittelentwickler nicht erfüllt haben, werden am ehesten zum Fortschritt beitragen.“

Paradebeispiel Morbus Alzheimer

Um die Zusammenarbeit einzelner Unternehmen zu fördern, eignet sich zum Beispiel der Bereich der Alzheimer-Forschung: Mehr als 30 Arzneistoffe sind hier in den letzten zehn Jahren in die klinische Phase III eingetreten. Keine dieser experimentellen Behandlungen zeigte bislang einen therapeutischen Nutzen.

Im Jahr 2015 lud die EMA Pharmaunternehmen aus der Alzheimer-Forschung ein, vertrauliche Informationen zu ihren Arzneimittelentwicklungsprogrammen mit der Agentur zu diskutieren. Hintergrund war ein Strategiepapier der G8-Gesundheitsminister zur Demenzforschung und -bekämpfung.

Die Details zu prä- und frühklinischen Daten trugen entscheidend dazu bei, das Scheitern falsch aufgestellter Hypothesen zu erklären. Als Ergebnis der Diskussionen wurden neue Empfehlungen für die Gestaltung klinischer Studien und für die Beurteilung der Patienten-Outcomes für Studien zu Alzheimer erarbeitet (PDF). Alteri und Guizzaro sind sich sicher: Das, was die beteiligten Unternehmen dabei voneinander gelernt haben, wird in Zukunft zu schnelleren und informativeren klinischen Studien führen.

„Wir hoffen, dass dieses Projekt zu ähnlichen Anstrengungen bei anderen Krankheiten führt, die schwer zu behandeln sind. Wir schulden es der Öffentlichkeit und den Patienten, um sicherzustellen, dass sich die Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen weiter in Richtung größerer Transparenz bewegen.“

Das hätte man auch früher schon tun können (und sollen). Hoffen wir, dass es Schule macht.