Medikamentöse Migräneprophylaxe ist die Ausnahme

Die Indikationen für eine Präventivmedikation bei Migräne sind klar definiert. Dennoch bleiben die Möglichkeiten bei einem Großteil der Patienten ungenutzt, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Für wen ist die Prophylaxe angezeigt?

Die Prävalenz für Migräne beträgt in Europa etwa 15%. Für eine Vielzahl der Patienten besteht eine Indikation für eine medikamentöse Migräneprophylaxe: bei mindestens drei Attacken pro Monat, einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität sowie bei drohendem Übergebrauch von Akutmedikation und bei unzureichender Wirkung der Akuttherapie.

Trotz Indikation selten genutzt

In der Querschnitts-Beobachtungsstudie OVERCOME (EU) stand der Versorgungsstatus von erwachsenen Migränepatienten in Deutschland und Spanien auf dem Prüfplan. Internetbasiert befragt wurden über 20700 Patienten (Durchschnittsalter 40,5 Jahre, 60,3% weiblich), die über Kopfschmerzen im letzten Jahr berichteten und international anerkannte Migräne-Klassifikationskriterien (ICHD-3) erfüllten bzw. bei denen ein Arzt Migräne diagnostiziert hat. Ein besonderes Augenmerk lag auf einer Subgruppe, die für eine medikamentöse Migräneprophylaxe infrage kam.

78,5% der befragten Patienten suchten wegen ihrer starken Kopfschmerzen professionelle medizinische Hilfe, 50,8% erhielten die Diagnose „Migräne“. Nur 17,7% hatten jemals präventive Arzneimittel eingenommen. Auch Patienten mit Kopfschmerzen an mindestens 15 Tagen im Monat erhielten in 63% der Fälle keine Prophylaxemedikation. Lediglich 14,6% der Migränekohorte nutzen die medikamentösen Präventionsmöglichkeiten innerhalb der letzten drei Monate.

Viele Gründe für Nichteinnahme

Die Subgruppe, für die eine präventive Medikation infrage kam, zählte 2749 Teilnehmer (13,2% der gesamten Migränekohorte). 73,9% dieser Patienten verwendeten keine der traditionellen Präventionsmittel. Von denjenigen, die eine Prophylaxemedikation nutzten, nahm etwa die Hälfte (53,3%) ihre Präparate seit sechs Monaten oder kürzer ein. Die am häufigsten verwendeten Substanzen waren Antiepileptika, Antidepressiva und Antihypertensiva, seltener Onabotulinumtoxin A. 66,8% der Patienten mit Präventionsmedikation waren mit ihrer Behandlung nicht zufrieden.

Warum blieb die Prophylaxe aus? Für 31,6% der Patienten war die Wirksamkeit anderer von ihnen angewendeter, nicht weiter definierter, Medikamente ein Grund, 22,9% hielten die Kopfschmerzen für nicht schwerwiegend genug und 20,6% hatten Bedenken hinsichtlich Nebenwirkungen. Die häufigsten Gründe für das Beenden einer begonnenen Migräneprophylaxe waren ärztliche Empfehlungen (27,1%), Sorge vor Nebenwirkungen bzw. Übergebrauch (21,3%), ausbleibende Wirkung (21,1%), bessere Wirkung durch andere Arzneimittel (19,5%) und eine Verbesserung der Migräne (18,4%).

Unbefriedigte Behandlungsbedürfnisse

Die Studienautoren sehen bei der Adhärenz und Zufriedenheit von Migränepatienten viel Luft nach oben. Trotz teilweise schwerer Beeinträchtigungen verzichteten viele auf professionelle medizinische Versorgung. Von denjenigen, die ärztlichen Rat suchten, erhielt fast die Hälfte keine Migränediagnose, geschweige denn eine angemessene leitliniengerechte Versorgung, einschließlich präventiver Medikation. Zudem brachen viele eine vorbeugende Behandlung frühzeitig ab.

Die Aussagekraft der Ergebnisse ist dadurch eingeschränkt, dass ausschließlich Selbstauskünfte der Teilnehmer zugrunde lagen. Durch diese Methode konnten jedoch viele Teilnehmer unabhängig von einer bestehenden medizinischen Behandlung befragt werden. Die Umfrageergebnisse zeigten nach Meinung der Autoren auch abseits einer Repräsentativität eine deutliche Notwendigkeit für die bessere Behandlung und den einfacheren Zugang zu präventiven Therapien. Gründe für das Nichtnutzen bestehender Prophylaxemittel sehen die Autoren hauptsächlich in mangelndem oder begrenztem Wissen über präventive Medikamente bei Migräne sowie Sicherheitsbedenken. Möglicherweise seien neue präventive Therapien notwendig, die die Patientenzufriedenheit erhöhen und die langfristige Adhärenz verbessern.

Quelle

Pascual J, Panni T, Dell’Agnello G, et al. Preventive treatment patterns and treatment satisfaction in migraine: results of the OVERCOME (EU) study. J Headache Pain 24, 88 (2023). https://doi.org/10.1186/s10194-023-01623-z.