Neues zu Blutdruckzielwerten rund um die Schwangerschaft

Welche Ziel-Blutdruckwerte sind in der Schwangerschaft bei Hypertonie sinnvoll? Dies wurde im Rahmen des diesjährigen Diabetes-Kongresses (DDG) erläutert.

Hypertonie in der Schwangerschaft

Ein besonderes Augenmerk wird während der Schwangerschaft auf den Blutdruck gelegt. Meist bestehe bei Hypertonie zwar nur eine leichte oder moderate Form mit Blutdruckwerten bis 140–159/90–109 mmHg mit geringen Risiken für kardiovaskuläre Komplikationen, so Prof. Dr. Tanja Groten, Jena, im Rahmen des diesjährigen Diabetes-Kongresses der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Hier gibt es aktuell keine klare medizinische Evidenz für eine antihypertensive Therapie. Allerdings kann es auch zu schweren Hypertonien kommen. Diese liegen bei Werten von mindestens 160/110 mmHg vor und sind behandlungsbedürftig. Aktuell wird laut S2k-Leitlinie Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen (AWMF 015/018) ein Ziel-RR von 150/100 mmHg bis 130/80 mmHg empfohlen. Der diastolische RR sollte nicht unter 80 mmHg liegen.

Warum gelten höhere RR-Zielwerte in der Schwangerschaft?

Grund hierfür ist die Angst vor einer schlechteren Plazenta-Durchblutung und damit einem schlechteren Outcome für die Kinder (z.B. Wachstumsretardierung). Dabei basiert diese Befürchtung auf einer einzigen Studie aus dem Jahr 1990, in der die Auswirkungen von Atenolol auf den Ausgang der Schwangerschaft bei Frauen mit Hypertonie untersucht wurden. In die prospektive, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie wurden 29 schwangere Frauen am Ende des ersten Trimesters (15 Schwangerschaftswochen) eingeschlossen. 15 Frauen erhielten 50 mg Atenolol täglich, das so lange erhöht wurde, bis entweder der Blutdruck auf <140/90 mmHg gesenkt wurde oder eine Dosis von 200 mg täglich erreicht war. Ergebnisse der Studie waren, dass der mittlere diastolische Blutdruck durch Atenolol im Vergleich zu Placebo zwar gesenkt werden konnte (74 vs. 81 mmHg), die Wirkung auf den systolischen Blutdruck aber marginal war. Jedoch ging die Blutdruckabsenkung mit einem geringeren Geburtsgewicht der Säuglinge in der Atenolol-Gruppe einher. Daraus schlussfolgerten die Autoren, dass Atenolol ab dem Ende des ersten Trimesters bei Patientinnen mit leichter Hypertonie mit einer intrauterinen Wachstumsverzögerung verbunden ist. Neben der Tatsache, dass der Einsatz von Betablockern – unabhängig von der Blutdruckabsenkung – mit einem niedrigen Geburtsgewicht assoziiert ist, konnten im Anschluss zwei weitere Studien diese Ergebnisse entkräften.

Zielwerte und antihypertensive Medikation bei Kinderwunsch

In der neuen Nationalen VersorgungsLeitlinie Hypertonie, die aktuell in der Konsultationsfassung vorliegt, wird daher nun neu definiert, dass die RR-Zielwerte bei Kinderwunsch nicht geändert werden sollen und damit kein Abweichen von den individuell festgelegten Therapiezielen erfolgen soll. Außerdem sollen Patientinnen, die auf ACE-Hemmer gut eingestellt sind, erst bei Schwangerschaftsfeststellung (und nicht schon bei Kinderwunsch) die Medikation absetzen, da ACE-Hemmer zwar fetotoxisch, nicht jedoch embryotoxisch sind (PDF). Auch in der Stillzeit können ACE-Hemmer wieder angesetzt werden.

Zielwerte in der Schwangerschaft bei Diabetikerinnen

Die S2e-Leitlinie Diabetes in der Schwangerschaft (3. Auflage AWMF-Registernummer 057-023) von 2021 gibt Zielwerte von systolisch <140 mmHg und diastolisch von <90 mmHg während der Schwangerschaft vor (Empfehlungsgrad B). Bei diabetischer Nephropathie sollte eine präkonzeptionell eingeleitete RR-Einstellung von <135/85 mmHg angestrebt werden, um das Risiko für hypertone-assoziierte Komplikationen bei der Mutter zu reduzieren und Frühgeburtlichkeit zu senken (Evidenzgrad B).

Quelle

Diabetes-Kongress 2023 (DDG). Prof. Dr. Tanja Groten. Neue Daten zur Blutdruckeinstellung vor, in und nach der Schwangerschaft.