Wie schlimm wird COVID-19 bei mir verlaufen? Diese Frage werden Ärzte dank einfacher Laborparameter vielleicht bald besser beantworten können.
Mittlerweile ist recht gut bekannt, welche Vorerkrankungen und Gesundheitsfaktoren das Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 erhöhen. Wie bei allen statistischen Berechnungen sagt das aber noch nichts über das Individuum aus. Auch ein 90-Jähriger kann einen völlig unproblematischen Verlauf haben, während ein Jugendlicher beatmungspflichtig wird.
In einem Kooperationsprojekt untersuchten nun mehrere deutsche Unikliniken, ob Ärzte mit einfachen individuellen Laborparametern aus Urin und Blut den Verlauf von COVID-19 bei hospitalisierten Patienten vorhersagen können.
Kooperationsstudie der Unikliniken
Das Risiko eines schweren COVID-19-Verlaufs wurde abhängig von den Urin- und Blutbefunden in drei Kategorien klassifiziert (niedrig, mittel oder hoch):
- normale Urin- und Blutbefunde,
- auffällige Urinanalyse mit normalen Blutwerten oder
- auffälliger Urin sowie pathologisches Serumalbumin <2 g/dl und/oder AT III <70%.
Ein auffälliger Urinbefund war definiert als Anurie oder mindestens zwei pathologische Urinwerte (Osmolarität bzw. spezifisches Gewicht, Leukozyturie, Hämaturie, Albuminurie/Proteinurie).
Am Tag der stationären Einweisung erfolgte eine Urinanalyse sowie die Messung der Serumalbuminkonzentration und der Antithrombin-III-Aktivität.
Primärer Studienendpunkt war die Zeit bis zur Aufnahme auf die Intensivstation oder bis zum Tod. Von 223 gescreenten Patienten wurden 145 in die Studie eingeschlossen. 43 hatten bei der stationären Aufnahme ein niedriges, 84 ein mittleres und 18 ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf.
Eine auffällige Urinanalyse war mit einem höheren Risiko für eine Intensivbehandlung oder Tod assoziiert (63,7% versus 27,9 %; HR 2,6; p=0,002); in der Hochrisikogruppe sogar zu 100%. Patienten mit pathologischem Urinstatus mussten häufiger mechanisch beatmet werden (44% vs. 14%), benötigten häufiger eine vollständige Lungenersatztherapie (extrakorporale Membranoxygenierung [ECMO] 10,8% versus 2,3%) oder eine Nierenersatztherapie (30,7% versus 11,6%).
Kommentar
Die Ergebnisse müssen sich erst noch in größeren Populationen bestätigen. Dann könnten Urin- und Blutwerte aber zu einem wertvollen Werkzeug werden. Denn einige der angedachten COVID-19-Therapien setzten einen Behandlungsbeginn bei Hospitalisierung voraus. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis und das Risiko-Nutzen-Verhältnis dieser Therapien würde sich verbessern, wenn man Patienten mit einem schweren Verlauf zuverlässig schon bei Einweisung identifizieren könnte.
Quellen
Gross O, Moerer O, Rauen T et al. Validation of a Prospective Urinalysis-Based Prediction Model for ICU Resources and Outcome of COVID-19 Disease: A Multicenter Cohort Study. J. Clin. Med. 2021, 10(14), 3049; https://doi.org/10.3390/jcm10143049
Pressemeldung der DGfN: Vorhersage schwerer COVID-19-Verläufe anhand einer Kombination von Blut- und Urinwerten (20.07.21)