Eine weitere Studie zur Indikation ambulant erworbene Pneumonie zeigt den Unsinn dieser Antibiotika-Empfehlung. Trotzdem bekommt man sie nicht aus den Köpfen der Ärzte und Apotheker.
Warum hat sich die Empfehlung geändert?
Früher empfahl man lieber eine längere Antibiotikaeinnahme, um die Rückkehr einer Infektion sowie die Bildung von Resistenzen zu verhindern. Dahinter steckte der Gedanke, alle krankmachenden Bakterien abzutöten. Heute wissen wir aber, dass bei längerer Antibiotikatherapie der Selektionsdruck erhöht wird und es sogar zu mehr Resistenzen kommen kann. Eine längere Antibiotikatherapie ist zudem mit mehr Nebenwirkungen verbunden. Die alte Faustregel „Nehmen Sie die Packung bis zum Ende“ ist längst überholt.
Eine aktuelle Studie bei ambulant erworbener Pneumonie hat nun wieder bestätigt, dass auch kurze Antibiotikatherapien sehr wirksam sein können.
Studie zur ambulant erworbenen Pneumonie
Die Forscher führten eine doppelblinde, randomisierte Nichtunterlegenheitsstudie zur ambulant erworbenen Pneumonie durch. Bei den Teilnehmern handelte es sich um erwachsene Patienten in der Klinik, die keine Behandlung auf einer Intensivstation benötigten.
Waren die Probanden nach drei Tagen unter Beta-Lactam-Therapie (1g/125mg Amoxicilin/Clavulansäure) klinisch stabil, randomisierten die Koordinatoren sie in zwei Gruppen:
- Beta-Lactam-Therapie für weitere 5 Tage
- Placebo
Die Web-basierte Randomisierung sorgte zusätzlich für ausgeglichene Gruppen, zum Beispiel bei der Schwere der Erkrankung.
Der primäre Endpunkt war die Heilungsrate 15 Tage nach der ersten Antibiotikaeinnahme.
Ergebnisse
Die Ärzte behandelten 303 Patienten im Rahmen der Studie (Intention-to-treat-Population, ITT). Sie waren im Median 73 Jahre alt, und 41% waren Frauen.
- Am 15. Tag nach erster Antibiotikaeinnahme waren in der Gruppe mit verlängerter Antibiotikaeinnahme 68% der Patienten geheilt. In der Placebo-Gruppe waren es 77%.
- Unerwünschte Ereignisse traten in beiden Gruppen ähnlich häufig auf (Verum 19% vs. Placebo 14%).
- In der Verum-Gruppe starben 2 Patienten (vs. 3 unter Placebo).
Die Autoren schließen aus diesen Ergebnissen, dass eine 3-tägige Antibiotikatherapie bei ambulant erworbener Pneumonie mit moderatem Schweregrad einer 8-tägigen Therapie nicht unterlegen ist.
Was empfehlen die aktuellen Leitlinien?
In der bis 30.12.20 gültigen Leitlinie der Fachgesellschaften für Infektiologie und Pneumologie (DGI, DGP, PEG) empfehlen die Autoren bei leichter bis mittelschwerer Pneumonie eine Therapiedauer von 5 bis 7 Tagen. Bei rascher klinischer Stabilisierung ist eine kürzere Therapiedauer möglich. Der Patienten sollte vor Therapieende mindestens zwei Tage klinisch stabil sein. Die Leitlinie verweist dabei auf eine Studie von 2006, die bereits die Nichtunterlegenheit eines 3-tägigen Regimes gegenüber 8 Tagen Behandlung gezeigt hatte. Diese Studie war kleiner als die oben beschriebene Untersuchung und die Teilnehmer waren weniger schwer erkrankt.
Die neuen Daten bekräftigen daher die Empfehlungen der Leitlinie.
Wie lange muss man also Antibiotika einnehmen?
So lange wie nötig und so kurz wie möglich. Dieser Satz nutzt in der Praxis nur leider herzlich wenig.
Im klinischen Setting kann der Arzt mit Erfahrungswerten die Therapiedauer sicher individuell abschätzen.
Für den niedergelassenen Hausarzt gestaltet sich das schwieriger. Die empfohlene Dauer der Antibiotikabehandlung ist oft vom klinischen Verlauf abhängig. Im ambulanten Bereich sehen sich Arzt und Patient aber häufig nur einmal. Also müssen entsprechend komplizierte Anweisungen mitgegeben werden. Wenn der Apotheker dann sagt „die Packung bis zum Ende“, ist die Verwirrung vorprogrammiert.
Dazu kommt, dass die Fachinformationen manchmal gar keine Zeitangaben enthalten. Stattdessen müssen die aktuell evidenzbasierten Zeiträume an anderer Stelle recherchiert und die Dauer individuell festgelegt werden. Dieses Vorgehen ist deutlich aufwendiger als die althergebrachte Faustregel. Auf keinen Fall sollten Patienten aber eigenmächtig über die Dauer der Antibiotikatherapie entscheiden.