COVID-19; Originalbild: Eisenhans/Adobe Stock

Thrombotische Thrombozytopenie nach Vaxzevria®-Impfung

Nach einer Impfung mit dem rekombinanten adenoviralen Vektorimpfstoff ChAdOx1 nCov-19 (Vaxzevria®, AstraZeneca) sind mehrere Fälle von ungewöhnlichen thrombotischen Ereignissen und eine Thrombozytopenie aufgetreten. Forscher aus Greifswald klärten die Pathogenese dieser ungewöhnlichen Gerinnungsstörungen.

Wie kommt es zur Thrombozytopenie?

Die Impfung mit Vaxzevria® kann in seltenen Fällen zur Entwicklung einer immunthrombotischen Thrombozytopenie und atypischen Thrombosen führen. Pathophysiologisch kommt es zur Bildung von Thrombozyten-aktivierende Antikörpern gegen PF4. Das Krankheitsbild ähnelt klinisch der autoimmunen Heparin-induzierten Thrombozytopenie.

Eine Untersuchung von Blutproben …

Eine Forschergruppe aus Greifswald untersuchte die klinischen und laborchemischen Merkmale von elf Patienten in Deutschland und Österreich, bei denen sich eine Thrombose oder Thrombozytopenie nach Impfung mit Vaxzevria® entwickelt hatte. Verwendet wurden ein Standard-Enzymimmunoassay zum Nachweis von Thrombozytenfaktor-4(PF4)-Heparin-Antikörpern und ein modifizierter PF4-verstärkter Thrombozyten-Aktivierungstest zum Nachweis von Thrombozyten-aktivierenden Antikörpern. Eingeschlossen wurden Blutproben von Patienten, die zur Untersuchung von impfstoffassoziierten thrombotischen Ereignissen eingesandt wurden.

… zeigte Thrombozyten-aktivierende Antikörper

Untersucht wurden die Blutproben von elf Patienten. Von diesen waren neun Frauen mit einem mittleren Alter von 36 Jahren (Streubereich 22 – 49 Jahre). Innerhalb von 5 bis 16 Tagen nach der Impfung traten bei den Patienten ein oder mehrere thrombotische Ereignissen auf.

  • Bei einem Patienten kam es zu einer tödlichen intrakraniellen Blutung.
  • Neun Patienten hatten eine zerebrale Sinus-Venenthrombose, drei eine venöse Thrombose im Abdomen, drei eine Lungenembolie und vier hatten andere thrombotische Ereignisse.
  • Sechs Patienten starben.
  • Fünf Patienten hatten eine disseminierte intravasale Koagulation.

Keiner der Patienten hatte vor Auftreten der Symptome Heparin erhalten. Alle Patienten, die positiv auf Antikörper gegen PF4-Heparin getestet wurden, waren positiv im Thrombozyten-Aktivierungs-Assay in der Anwesenheit von PF4 unabhängig von Heparin. Die Thrombozytenaktivierung wurde durch Heparin, Fc-Rezeptor-blockierende monoklonale Antikörper und Immunglobuline (10 mg pro Milliliter) gehemmt.

Kommentar

Seit Langem ist die Heparin-induzierte Thrombozytopenie mit erhöhter Thromboseneigung bekannt. In diesen Fällen führt die Gabe von Heparin zur Entwicklung von Antikörpern gegen Plättchenfaktor 4. In der Folgezeit wurden aber auch Patienten identifiziert, bei denen diese Erkrankung ohne die Gabe von Heparin aufgetreten war.

Die Arbeitsgruppe aus Greifswald zeigt überzeugend, dass ein sehr ähnlicher Mechanismus bei den Patienten vorliegt, die nach Vaxzevria®-Impfung ungewöhnliche thrombotische Ereignisse entwickelt haben. Die Klinik ähnelt der der autoimmun-induzierten Thrombozytopenie mit disseminierter intravaskulärer Gerinnung oder atypischen thrombotischen Ereignissen. Die Autoren schlagen vor, dieses Krankheitsbild als impfungsinduzierte immunthrombotische Thrombozytopenie zu bezeichnen.

Zur Therapie empfehlen sie, entweder hochdosierte intravenöse Immunglobuline zu geben und/oder Antikoagulanzien, die auch zur Behandlung der Heparin-induzierten Thrombozytopenie verwendet werden. Dazu gehören die oralen Faktor-Xa-Hemmer Apixaban oder Rivaroxaban, direkte Thrombinhemmer wie Argatroban oder indirekte Antithrombin-abhängige Xa-Hemmer wie Danaparoid.

In der Zwischenzeit sind mehr als 30 solcher atypischer thrombotischer Ereignisse nach Vaxzevria®-Impfung in Deutschland gemeldet worden. Daher hat die ständige Impfkommission empfohlen, diesen Impfstoff nur noch bei Personen im Alter von über 60 Jahren einzusetzen. Darüber hinaus ist aber immer noch der Nutzen einer Impfung gegen COVID-19 mit Vaxzevria® deutlich höher als das potenzielle Risiko.

Quelle

Greinacher A, Thiele T, Warkentin TE, Weisser K, Kyrle PA, Eichinger S. Thrombotic Thrombocytopenia after ChAdOx1 nCov-19 Vaccination. New England Journal of Medicine. 2021.Doi: 10.1056/NEJMoa2104840

Autor

Foto Prof. Diener
Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener. Medizinische Fakultät der Universität Duisburg-Essen, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (IMIBE).