COVID-19: 3 Fragen an den Oberarzt der Notaufnahme

Der Arbeitsalltag vieler im Gesundheitswesen Tätiger wird derzeit durch die Corona-Krise bestimmt. Wir zeigen, wie sich der Berufsalltag verändert hat, mit welchen Schwierigkeiten die verschiedenen Berufsgruppen zu kämpfen haben und wie sich alle Tag für Tag dafür einsetzen, eine optimale Patientenversorgung auch in diesen schwierigen Zeiten zu gewährleisten.

Dr. Timur Özkan ist Oberarzt in der Notaufnahme der Charité Universitätsmedizin Berlin, Chirurgische Klinik Campus Charité Mitte/Campus Virchow-Klinikum (CVK).

Interview mit Dr. Timur Özkan

Redaktion: Wie viele Corona-Patienten sind derzeit bei Ihnen auf der Station bzw. wie viele wurden bereits behandelt? Wie waren die Verläufe?

Özkan: In der Zentralen Notaufnahme am Campus Virchow-Klinikum behandeln wir regelmäßig Patienten mit gesicherter COVID-Infektion und assoziierten Beschwerden (insb. Dyspnoe) bzw. anderen medizinischen Problemen (z.B. akutes Koronarsyndrom, Schlaganfall). Darüber hinaus erfolgt die häufige Behandlung von Patienten mit begründetem Verdacht bzw. zur differentialdiagnostischen Abklärung.

Zur Einschätzung der Patientenzahlen haben wir (Notaufnahme CVK) beispielsweise zwischen Anfang April und Anfang Mai bei knapp 500 Patienten einen Nasen-Rachen-Abstrich zur PCR-Diagnostik auf SARS-CoV2 durchgeführt, von denen der überwiegende Teil einen Abstrich aus differentialdiagnostischen Erwägungen erhalten hat. Hiervon wurde ca. ein Viertel stationär aufgenommen. Der Anteil der COVID-positiven Patienten hiervon ist gering.

Es bestehen kurze Behandlungszeiten in der Notaufnahme, da die Patienten entlassen werden oder auf designierte Ausschluss-Stationen bzw. COVID-Stationen oder COVID-Intensivstationen verlegt werden, sodass ein längerer Verbleib von Patienten mit Verdacht oder gesicherter COVID-Infektion auf unserer Aufnahme-Station nicht vorgesehen ist.

Redaktion: Was sind die ersten Behandlungsschritte, wenn ein Patient mit Atemnot und Verdacht auf Corona zu Ihnen kommt? Gibt es hier Unterschiede zu beispielsweise Influenza-Patienten?

Özkan: Zuerst werden die Patienten isoliert und es erfolgt eine spezifische Anamnese und Blutentnahme. Die körperliche Untersuchung findet in reduziertem Ausmaß statt. Bei Erfüllung der Kriterien qSOFA >1 (Kurzform des Sequential Organ Failure Assessment Score) und/oder SpO2 (Sauerstoffsättigung) < 95% oder entsprechend Klinik und Einschätzung der Lunge per Low-dose-Computertomographie werden die Patienten, je nach Schwere des Krankheitsbilds, ambulant weiterbehandelt, auf die Normal- oder Intensivstation verlegt.

Bei Patienten mit Influenza(-Verdacht) wurden/werden ebenfalls entsprechende Isolationsmaßnahmen getroffen und abhängig von der Schwere des Krankheitsbilds die weitere Versorgung geplant.  

Redaktion: Aus Angst vor Ansteckung mit Coronaviren oder um Kapazitäten wegen „Wehwehchen“ nicht zu beanspruchen, soll es vorkommen, dass Patienten derzeit nicht mehr bzw. (zu) spät in die Notaufnahme gelangen. Beispielsweise haben US-Kardiologen während der Corona-Krise einen Rückgang von Herzkatheter-Eingriffen aufgrund eines Herzinfarkts um 38% verzeichnet [Garcia et al.]. Welche Erfahrungen haben Sie in der Zwischenzeit gemacht? Sind die Patienten ängstlicher und zurückhaltender, wenn es darum geht, die Notaufnahme aufzusuchen?  

Özkan: Ein Rückgang der Patientenzahlen im Rahmen der Pandemie ist sicher unter den „Hausarzt-Patienten“ mit unkritischen Krankheitsbildern zu verzeichnen. Wir bemerkten jedoch auch einen Rückgang der Patienten mit akutem Koronarsyndrom oder anderen potentiell lebensbedrohlichen Erkrankungen. Die Patientenzahlen sind aktuell wieder ansteigend, aber ohne die Behandlungskapazitäten zu übersteigen.

Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch!

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