Fördern Arzneimittel Allergien?

Die Katze muss leider weg

Am Wochenende des 23. und 24.11.2019 fand wieder der Heidelberger Herbstkongress der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg statt, zu dem sich rund 1000 Apotheker an der Universität Heidelberg versammelten.
Den Anfang machte Dr. med. Thomas Spindler, Chefarzt für Kinder und Jugendliche von der Hochgebirgsklinik Davos, mit seinem Vortrag zu Allergien im Kindes- und Jugendalter.

Allergien nehmen zu

Es gibt verschiedene Hypothesen, warum Allergien zunehmen. Zum einen ist ein genetisches Risiko für die Allergieentstehung bekannt. Leiden beide Eltern an der gleichen Allergie, liegt das Risiko bei 75 %, dass das Kind diese ebenfalls entwickelt.
Was also tun? „Suchen Sie sich Eltern ohne Allergien aus“, so Spindler. Da dies bekanntlich nicht möglich ist, müsse man auf die Umgebungsfaktoren fokussieren, die auch einen entscheidenden Beitrag zur Allergieentstehung in den ersten Lebensjahren leisten.
Die sogenannte Hygienehypothese besagt, dass durch extreme Hygiene, späten Kontakt zu anderen Kindern, immer kleinere Familien und weniger Infekte Allergien in westlichen Ländern heutzutage häufiger als noch vor einigen Jahrzehnten auftreten. „Wenn dem Immunsystem langweilig wird, macht es Unsinn“, stellte er zusammenfassend fest.

Ein Allergietest stellt nur eine Sensibilisierung fest

Für die Diagnose reicht ein Allergietest nicht aus, da dieser nur eine Sensibilisierung feststellen kann. Die zusätzliche Anamnese ist hier zwingend notwendig.

Toleranzentwicklung bei Nahrungsmittelallergie

Ein wichtiger Aspekt spielt auch die Toleranzentwicklung bei Allergien.

  • Kuhmilchallergie: 90 % der Patienten verlieren ihre Allergie bis zum 4. Lebensjahr
  • Hühnereiweißallergie: etwa 50 % der Patienten verlieren ihre Allergie bis zum 4. Lebensjahr
  • Erdnussallergie: 20 bis 25 % aller Kinder verlieren ihre Allergie im Laufe der Jahre

Gerade bei der Kuhmilchallergie, die bei einem Großteil der Kinder wieder verschwindet und die im sozialen Umfeld (z. B. in Kindertageseinrichtungen) zu einer starken Belastung führen kann, bietet es sich an, nach einer gewissen Zeit zu überprüfen, ob die Allergie immer noch besteht.

Das Notfallset bei Anaphylaxie

Bei der schwersten Form der Allergie, der Anaphylaxie, die bei Kindern seltener als bei Erwachsenen ist, kommen Notfallsets zum Einsatz, die Folgendes beinhalten:

  • Adrenalinautoinjektor (erste Maßnahme bei gesichertem Allergenkontakt bzw. schwerer Reaktion)
  • systemisches Kortison
  • systemisches Antihistaminikum
  • Betamimetikum
  • Anaphylaxiepass
  • Notfallplan

Anaphylaxie und Selbstmedikation

Spindler erläuterte auch die Rolle des Apothekers:

  1. Bei jedem Hinweis auf eine systemische Reaktion verbietet sich eine Selbstmedikation ohne vorherige Abklärung beim Allergologen
  2. Bei gesicherter Anaphylaxie sollte nach Notfallset und Notfallpass gefragt werden
  3. Der Apotheker sollte nachfragen, ob die Anwendung des Adrenalinpens eingeübt wurde

Nationale Versorgungsleitlinie Asthma

Die neue Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Asthma (PDF) brachte einige Änderungen mit sich:

  • Keine Einteilung mehr in Asthma-Schweregrade, sondern in Therapiestufen
  • Keine Monotherapie mit LABA (langwirkende Beta-2-Sympathomimetika), sondern nur noch in Kombination mit inhalativen Glucocorticoiden
  • Erstmals wird die Rolle des Apothekers in der Leitlinie klar definiert

Beim zweiten Punkt sah Spindler auch den Apotheker in der Verantwortung, im Fall einer Monotherapie mit einem LABA auf die neue Leitlinie hinzuweisen.

Die ausführlichen Informationen zur NVL Asthma lesen MMP-Abonnenten in der aktuellen Ausgabe der MMP.

Abschließend stellte Spindler fest, dass die Allergenvermeidung bei Allergien, sofern möglich, natürlich im Vordergrund stehe. Die Katze müsse leider weg.

Quelle

Heidelberger Herbstkongress am 22. November 2019. Vortrag von Dr. med. Thomas Spindler, Chefarzt der Hochgebirgsklinik Davos.