Im New England Journal of Medicine wurden gerade vier Arbeiten veröffentlicht, die sich mit Arzneimitteln zur Behandlung des kleinzelligen und des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC) in unterschiedlichen Stadien beschäftigen: Atezolizumab, Brigatinib, Durvalumab und Pembrolizumab.
Lungenkrebs: Hohe Inzidenz – hohe Sterblichkeit
Das Bronchialkarzinom steht laut Robert Koch-Institut und Zentrum für Krebsregisterdaten (www.krebsdaten.de) bei den Krebsneuerkrankungen in Deutschland immer noch weit oben in der Liste – an Platz zwei (Männer) bzw. Platz drei (Frauen). In der Liste der Fünfjahresüberlebensraten steht es jedoch weit unten. Die ungünstige Prognose bei gleichzeitig hoher Inzidenz macht deutlich, dass es einen großen Bedarf an neuen Therapiemöglichkeiten gibt.
In der letzten Woche wurden gleich vier verschiedene Arbeiten publiziert:
- Zugabe von Atezolizumab zur Chemotherapie in der Erstlinienbehandlung von kleinzelligem Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium
- Brigatinib versus Crizotinib bei Patienten mit ALK(anaplastische Lymphomkinase)-positivem NSCLC, die zuvor noch keinen ALK-Inhibitor erhalten hatten
- Durvalumab bei Patienten mit NSCLC im Stadium III nach Chemoradiotherapie
- Zugabe von Pembrolizumab zur Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel oder Nab-Paclitaxel bei Patienten mit zuvor unbehandeltem metastasiertem Plattenepithel-NSCLC
In all diesen Studien zeigte sich eine signifikante Verbesserung im Gesamt- und im progressionsfreien Überleben (PFS). Vielleicht haben Patienten mit Lungenkrebs ja auch irgendwann eine bessere Prognose – mit einem Fünfjahresüberleben, das über 15% für Männer bzw. 20% für Frauen hinausgeht.
Hintergrund: die Studien im Einzelnen
Kleinzelliges Bronchialkarzinom: Atezolizumab plus Chemotherapie in der Erstlinientherapie
In der doppelblinden, placebokontrollierten Phase-III-Studie von Horn et al. wurde Atezolizumab plus Carboplatin und Etoposid bei zuvor unbehandelten Patienten mit kleinzelligem Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium getestet. 403 Patienten erhielten 1:1 randomisiert vier 21-tägige Zyklen (Induktionsphase) mit Carboplatin und Etoposid entweder mit Atezolizumab oder mit einem Placebo, gefolgt von einer Erhaltungsphase mit Atezolizumab oder Placebo.
Bei einem medianen Follow-up von 13,9 Monaten betrug das mediane Gesamtüberleben 12,3 Monate in der Atezolizumab-Gruppe und 10,3 Monate in der Placebo-Gruppe (HR 0,70; 95%-KI 0,54–0,91; p=0,007). Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 5,2 Monate bzw. 4,3 Monate (HR 0,77; 95%-KI 0,62–0,96; p=0,02). Das Sicherheitsprofil von Atezolizumab plus Carboplatin und Etoposid unterschied sich nicht von dem bekannten Profil der einzelnen Wirkstoffe.
ALK-positives NSCLC: Brigatinib versus Crizotinib
In der offenen Phase-III-Studie von Camidge et al. erhielten 275 Patienten 1:1 randomisiert Brigatinib oder Crizotinib. Bei der ersten Zwischenanalyse (99 Ereignisse) betrug die mittlere Nachbeobachtungszeit 11,0 Monate in der Brigatinib-Gruppe und 9,3 Monate in der Crizotinib-Gruppe. Das geschätzte 12-monatige PFS betrug unter Brigantinib 67% versus 43% unter Crizotinib (HR 0,49; 95%-KI 0,33–0,74; p <0,001). Die bestätigte objektive Ansprechrate betrug 71% versus 60%. Die Studienverantwortlichen stellten keine neuen Sicherheitsbedenken fest.
NSCLC im Stadium III: Durvalumab nach Chemoradiotherapie
An der Studie, veröffentlicht von Antonia et al. nahmen 709 Patienten teil. 1 bis 42 Tage nach Radiochemotherapie wurden sie 2:1 randomisiert: 473 erhielten Durvalumab und 236 Placebo alle 2 Wochen für bis zu 12 Monate.
Im März 2018 betrug die mittlere Nachbeobachtungszeit 25,2 Monate. Die 24-Monats-Überlebensrate betrug 66,3% in der Durvalumab-Gruppe versus 55,6% in der Placebo-Gruppe (p=0,005). Durvalumab verlängerte das Gesamtüberleben im Vergleich zu Placebo signifikant (HR 0,68; 99,73%-KI 0,47–0,997; p=0,0025). Das mediane PFS betrug 17,2 Monate versus 5,6 Monate (HR 0,51; 95%-KI 0,41–0,63). Die mittlere Zeit bis zum Tod oder bis zur Fernmetastasierung betrug 28,3 Monate versus 16,2 Monate (HR 0,53; 95%-KI 0,41–0,68). Insgesamt 30,5% der Patienten in der Durvalumab-Gruppe und 26,1% der Patienten in der Placebo-Gruppe hatten Grad 3 oder 4 Nebenwirkungen jeglicher Ursache; 15,4% bzw. 9,8% der Patienten brachen die Studie wegen unerwünschter Ereignisse ab.
Metastasiertes Plattenepithel-NSCLC: Pembrolizumab plus Chemotherapie bei therapienaiven Patienten
In die doppelblinde Phase-III-Studie KEYNOTE-407, veröffentlicht von Paz-Ares et al., wurden 559 Patienten 1:1 randomisiert. Die Hälfte erhielt zusätzlich zur Chemotherapie 200 mg Pembrolizumab für bis zu 35 Zyklen, die andere zusätzlich ein Placebo. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 7,8 Monaten betrug das mediane Gesamtüberleben in der Pembrolizumab-Kombi-Gruppe 15,9 Monate und in der Placebo-Gruppe 11,3 Monate (Hazard-Ratio [HR] 0,64; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,49–0,85; p <0,001). Der Gesamtüberlebensvorteil war unabhängig von der Höhe der PD-L1-Expression. Das mediane PFS betrug 6,4 Monate versus 4,8 Monate (HR 0,56; 95%-KI 0,45–0,70; p <0,001). Nebenwirkungen von Grad 3 oder höher traten bei 70% bzw. 68% auf. In der Pembrolizumab-Kombi-Gruppe brachen mehr die Behandlung wegen unerwünschter Ereignisse ab als in der Placebo-Gruppe (13,3% vs. 6,4%).
Literatur
Horn L, et al. First-Line Atezolizumab plus Chemotherapy in Extensive-Stage Small-Cell Lung Cancer. NEJM September 25, 2018. DOI: 10.1056/NEJMoa1809064.
Camidge DR, et al. Brigatinib versus Crizotinib in ALK-Positive Non–Small-Cell Lung Cancer. NEJM September 25, 2018. DOI: 10.1056/NEJMoa1810171.
Antonia SJ, et al. Overall Survival with Durvalumab after Chemoradiotherapy in Stage III NSCLC. NEJM. September 25, 2018. DOI: 10.1056/NEJMoa1809697.
Paz-Ares L et al. Pembrolizumab plus Chemotherapy for Squamous Non–Small-Cell Lung Cancer. NEJM September 25, 2018. DOI: 10.1056/NEJMoa1810865.