Fördern Arzneimittel Allergien?

Kinderapotheke mangelhaft?

Die Stiftung Kindergesundheit beklagt in einer Stellungnahme die Mängel der „Kinderapotheke“. Kinder- und Jugendmediziner sind – trotz Kinderarzneimittelverordnung – weiterhin oft darauf angewiesen, Kinder mit Arzneimitteln zu behandeln, die nur an Erwachsenen ausreichend geprüft wurden.

Arzneimittel für Kinder sind die Stiefkinder der Medizin

Die europäische Kinderarzneimittelverordnung (PDF) trat vor elf Jahren in Kraft. Seitdem sind Arzneimittelhersteller verpflichtet, neue Arzneimittel auch bei Kindern auf ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zu überprüfen. Doch das klappt anscheinend nur mäßig. Immer noch müssen Kinder- und Jugendärzte viele ihrer Patienten mit Arzneimitteln behandeln, die nur an Erwachsenen getestet wurden, für die Altersgruppe der Kinder nicht zugelassen oder nicht geeignet sind. Darauf macht die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme aufmerksam.

Kaum Onkologika für Kinder

Zwar stieg der Anteil an klinischen Arzneiprüfungen, an denen auch Kinder beteiligt waren, von 2007 bis 2016 von 8 % auf 12%. Mehr als 260 neue Arzneimittel wurden im gleichen Zeitraum auch zur Anwendung bei Kindern zugelassen. Doch es gibt weiterhin großen Nachholbedarf, vor allem in der Onkologie. So wurden in den letzten zehn Jahren laut Aussage der Stiftung Kindergesundheit nur zwei Arzneimittel für die Behandlung krebskranker Kinder zugelassen.

Den Ergebnissen der Kindergesundheitsstudie KiGGS zufolge werden etwa 30% der von Kindern eingenommenen Arzneimittel off Label eingesetzt. Untersuchungen in Neugeborenenabteilungen und auf pädiatrischen Intensivstationen ergaben einen Off-Label-Anteil von bis zu 90%. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen sind bei Off-Label-Verordnungen allerdings deutlich häufiger als bei zugelassenen Arzneimittelanwendungen.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

Werden Arzneimittel nur bei Erwachsenen getestet, gibt es in der Regel auch keine genauen Angaben für die Dosierung bei Kindern. Das Motto „bei Kindern die Hälfte“ ist längst überholt. Selbst Kinder und Jugendliche unterscheiden sich in ihren jeweiligen Entwicklungsphasen deutlich untereinander. Eine internationale Richtlinie teilt sie in fünf Entwicklungsstufen ein: „Frühgeborene“, „Neugeborene“ (bis 27 Tage), „Säuglinge und Kleinkinder“ (28 Tage bis 23 Monate), „Kinder“ (2 bis 11 Jahre) und „Jugendliche“ (12 bis 18 Jahre). Um die richtige Dosierung eines Wirkstoffs für diese unterschiedlichen Entwicklungsphasen herauszufinden, müssen oft mehrere Studien durchgeführt werden.

Studien mit Kindern sind aufwendig und teuer

Warum gibt es immer noch zu wenige Studien mit Kindern? Das hat verschiedene Gründe. Zum einen sind klinische Studien mit Kindern mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Die Patientengruppen sind klein, viele Eltern sind nicht bereit, ihr Kind an Studien teilnehmen zu lassen. Sie wissen nicht, dass ihr Kind von der Teilnahme an Arzneimittelstudien profitiert.

Zum anderen sind die Forschungskosten für die pädiatrische Entwicklung bei einem neuen Arzneimittel hoch. Sie liegen laut Bundesverband der Arzneimittelhersteller BAH im Durchschnitt bei rund 20 Millionen Euro. Selbst die Weiterentwicklung eines bekannten Wirkstoffs zu einer kindgerechten Darreichungsform kostet mindestens 350.000 Euro. Während Arzneimittel mit hohen Umsatzzahlen bei chronisch kranken Erwachsenen den Forschungsaufwand rasch wieder wettmachen, ist das bei Kindern eher nicht der Fall.

Patentfreie Arzneimittel für Kinder weiterentwickeln? Unattraktiv!

Nach Inkrafttreten der EU-Verordnung hatten Kinder- und Jugendärzte zunächst große Hoffnungen in die Einführung des PUMA‐Prozesses gesetzt (Paediatric Use Marketing Authorization). Hersteller sollen damit ältere Wirkstoffe in einem vereinfachten Zulassungsverfahren auf ihre Wirksamkeit bei Kindern testen und kindgerechte Darreichungsformen entwickeln können – mit einem zehnjährigen Unterlagenschutz für das neu zugelassene Kinderarzneimittel. Der erhoffte Effekt blieb aus. Lediglich drei Präparate haben seit 2007 eine PUMA‐Zulassung erhalten: Midazolam, Propranolol und Glycopyrroniumbromid.

Es ist halt immer noch wenig attraktiv, ältere und patentfreie Arzneimittel für Kinder weiterzuentwickeln, sie in klinischen Studien zu testen und den Zulassungsprozess zu durchlaufen. Viele ältere Wirkstoffe sind in das Festbetragssystem der Krankenkassen eingeordnet. So kann der Hersteller eines PUMA-Medikaments trotz der Forschungskosten für die pädiatrische Darreichungsform keine höheren Preise erzielen als zuvor.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die Behandlungssituation für Kinder und Jugendliche in den kommenden Jahren bessert. Vielleicht finden sich ja noch Firmen, die bereit sind, eher unlukrative Forschung zu betreiben – zum Wohl der Gesellschaft?