Risikofaktoren wiegen für Frauen schwerer

Herz-Kreislauf-Erkrankungen stehen weltweit an der Spitze der Todesursachen. Nachteil für Frauen: Für sie haben gleiche Risikofaktoren stärkere negative Auswirkungen als für Männer.

Gleiche Ursache, größeres Risiko

Die Raten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen steigen seit einigen Jahren. Ausschlaggebend sind sowohl hormonelle Einflüsse als auch die bekannten vorherrschenden Risikofaktoren. Aber traditionelle kardiovaskuläre Risikofaktoren manifestieren sich bei Frauen anders als bei Männern – mit Auswirkungen auf das Management und die klinischen Ergebnisse. In einer aktuellen Studie wurde die weiblich vorherrschenden kardiologischen Risikofaktoren und die Rolle eines möglicherweise hilfreichen Biomarkers untersucht.

Punkt 1: Erkrankungen haben stärkere Folgen

Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Fettleibigkeit und Rauchen sind bei Männern wie bei Frauen typische kardiovaskuläre Risikofaktoren. Allerdings ist der Einfluss dieser gemeinsamen Risikofaktoren aufgrund biologischer Geschlechtsunterschiede unterschiedlich. Das relative Risiko ist für Frauen höher. Obwohl die Häufigkeit solcher negativen Faktoren in der Gesamtbevölkerung steigt, ergibt sich für Frauen eine schlechtere Prognose.

Punkt 2: Hormonelle Einflüsse und Autoimmunerkrankungen

Zusätzlich erhöhen frauenspezifische Aspekte das kardiovaskuläre Risiko über die gesamte Lebensspanne: Sie betreffen die Menstruation und Schwangerschaft und sind in Erkrankungen begründet, die bei Frauen häufiger auftreten:

  • Frühe Menarche
  • Frühe Menopause
  • Polyzystisches Ovarialsyndrom
  • Unfruchtbarkeit
  • Spontane Fehlgeburten
  • Hohe Anzahl Lebendgeburten
  • Ungünstige Schwangerschaftsergebnisse
  • Autoimmunerkrankungen
  • Migräne
  • Depressionen

Menarche, Menopause und Geburten

Eine frühe erste Menstruation (Menarche) ist nicht nur mit einem höheren Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und damit zusammenhängenden Faktoren wie metabolisches Syndrom, Fettleibigkeit und Diabetes mellitus verbunden, sondern beeinflusst außerdem die Sterblichkeit. Pro Jahr einer verzögerten Menarche ergibt sich eine Verringerung der Sterblichkeit um 2 bis 4%. Ähnlich einzustufen ist ein früher Eintritt in die Menopause.

Fehlgeburten sind einerseits mit dem Vorhandensein kardiometabolischer Risikofaktoren verbunden, andererseits wiesen betroffene Frauen in einer großen Kohortenstudie einen 1,2-fachen Anstieg von koronarer Herzkrankheit und Schlaganfall auf, und zwar unabhängig von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Hypercholesterinämie oder Typ-2-Diabetes. Auch Komplikationen wie hypertensive Schwangerschaftsstörungen, Gestationsdiabetes, intrauterine Wachstumshemmung, niedriges Geburtsgewicht und Frühgeburten gelten als relevante Faktoren für Herzerkrankungen, gerade bei jüngeren Frauen. Das daraus resultierende erhöhte kardiovaskuläre Risiko hält weit über die Schwangerschaftszeit hinaus bis ins spätere Leben an.

Risiko durch „Frauen-Erkrankungen“

Autoimmunerkrankungen wie systemischer Lupus erythematodes und rheumatoide Arthritis werden in den ACC/AHA– und ESC-Präventionsleitlinien als risikoerhöhende oder risikomodifizierende Faktoren bezeichnet. Sie sind unter Frauen verbreiteter.

Migräne, insbesondere mit visueller Aura, trifft ebenfalls öfter das weibliche Geschlecht. Diese Form geht mit einem mindestens zweifach erhöhten Risiko für einen ischämischen Schlaganfall einher. Darüber hinaus sind einige psychologische Faktoren mit dem Herz-Kreislauf-Risiko verknüpft. Eine negative Auswirkung haben Depressionen, die als unabhängiger Risikofaktor gelten – auch hierbei sind Frauen überproportional betroffen.

Biomarker gibt Hinweise

Ein Marker für die atherosklerotische Krankheitslast und damit ein Hinweisgeber für die Prognose des Risikos durch Atherosklerose-bedingte Erkrankung (ASCVD), unabhängig von traditionellen Risikofaktoren, ist der Koronarkalk (CAC). Der CAC-Score zeigt den Grad der Verkalkung der Koronararterien an und gibt Auskunft über das ASCVD-Risiko über einen Zeitraum von zehn Jahren. Zu beachten ist: Selbst wenn Frauen einer bestimmten Altersgruppe seltener auffällige CAC-Werte aufweisen als Männer im gleichen Alter, tragen sie dann ein größeres relatives Risiko.

Eine Chance: Risiko gezielter bewerten

Die Studienautoren resümieren: Nicht nur das Messen traditioneller Risikofaktoren solle einer Bewertung zugrunde liegen, sondern darüber hinaus frauenspezifische Faktoren. So könne ein umfassender Überblick über das Risiko für die Entwicklung von kardiometabolischen Störungen und kardiovaskulären Erkrankungen gewonnen werden.

Einmal identifiziert, bestehe für Frauen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko die Chance, von intensiveren präventiven Maßnahmen, etwa Lebensstiländerungen und/oder Pharmakotherapie mit Statinen, profitieren zu können.

Quelle

Rajendran A, Minhas AS, Kazzi B, Choi E, et al. Sex-specific differences in cardiovascular risk factors and implications for cardiovascular disease prevention in women. Atherosclerosis. 2023 Sep 4:117269. doi: 10.1016/j.atherosclerosis.2023.117269. Epub ahead of print. PMID: 37752027.