Haben Neurodermitiker ein erhöhtes Thromboserisiko?

Es gibt Hinweise, dass Patienten mit atopischer Dermatitis ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien haben. Eine Kohortenstudie liefert nun genauere Daten.

Mehr Herzinfarkte und Schlaganfälle bei atopischer Dermatitis

Atopische Dermatitis (Neurodermitis) ist eine immunvermittelte entzündliche Erkrankung, die im Erwachsenenalter mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen inklusive Herzinfarkt und Schlaganfall einhergeht. Darüber hinaus sind bei ihnen erhöhte prothrombotische und Entzündungsmarker nachweisbar, die an der Entstehung einer venösen Thromboembolie (VTE) beteiligt sind.

Bisher ist jedoch nicht klar, ob erwachsene Patienten mit atopischer Dermatitis ein erhöhtes VTE-Risiko haben und ob ein Zusammenhang zur Krankheitsschwere besteht. Daten aus anderen Studien sind widersprüchlich. Einige gaben Hinweise auf ein erhöhtes Risiko, das sich wiederum in anderen Studien nicht bestätigte. Diese Lücke sollte nun eine Kohortenstudie mit Krankenkassendaten aus Taiwan schließen.

Mehr VTE bei Neurodermitikern

Je 142.429 Teilnehmer mit und ohne Neurodermitis wurden in die Untersuchung eingeschlossen. Gematched wurden Teilnehmer gleichen Alters und gleichen Geschlechts.

1066 Personen mit (0,7%) und 829 Personen ohne atopische Dermatitis (0,6%) entwickelten eine venöse Thromboembolie (1,05 versus 0,82 pro 1000 Patientenjahre). Somit hatten Neurodermitiker insgesamt ein höheres Thromboserisiko als Menschen ohne die Erkrankung (Hazard-Ratio [HR] 1,28). Dies galt auch für tiefe Venenthrombosen (HR 1,26) und Lungenembolien (HR 1,30) im Speziellen.

Risiko in verschiedenen Patientengruppen

Das VTE-Risiko war bei jüngeren Patienten mit atopischer Dermatitis unter 45 Jahren noch nicht erhöht, ein signifikanter Unterschied zu den nicht Erkrankten bestand nur in der Patientengruppe über 45 Jahren. Eine Erklärung dafür sehen die Studienautoren darin, dass Entzündungsmarker-Spiegel bei älteren Patienten höher sind als bei jüngeren.

Das Geschlecht spielte wiederum keine Rolle, die thrombotischen Ereignisse traten bei Männern und Frauen gleichermaßen auf.

Da systemische Glucocorticoide im Verdacht stehen, ebenfalls das Risiko für VTE zu erhöhen, wurde eine Subgruppenanalyse ohne Anwender solcher Arzneimittel durchgeführt. Auch hier blieb der Unterschied zwischen Patienten mit und ohne atopische Dermatitis bestehen.

Fazit

Die Autoren resümieren, dass das Thromboserisiko in der ganzen Kohorte zwar absolut gesehen niedrig war, aber bei Patienten mit atopischer Dermatitis erhöht. Sie empfehlen, dass gerade bei diesen Patienten, die mit Symptomen wie Atemnot unbekannter Ursache, Schwellung der Beine oder Engegefühl in der Brust (mögliche Hinweise auf eine VTE) vorstellig werden, sofort Spezialisten wie Kardiologen oder Pneumologen hinzugezogen werden sollten.

Quelle

Chen TL, et al. Risk of venous thromboembolism among adults with atopic dermatitis. JAMA Dermatol 2023; Published online; doi:10.1001/jamadermatol.2023.1300