Retatrutid bei Adipositas

In einer Phase-II-Studie wurde der dreifache Hormonrezeptoragonist Retatrutid zur Gewichtsreduktion bei Adipositas untersucht. Die Ergebnisse sind vielversprechend, müssen aber noch in Phase-III-Studien bestätigt werden.

Therapie oder Lifestyle?

In der letzten Zeit erhielt Semaglutid in der Laienpresse und auf Social Media als „Abnehmspritze“ viel Aufmerksamkeit.  Von den einen beispielsweise auf Tiktok als Hype gefeiert, um sich von ein paar überflüssigen Pfunden zu befreien, bemühten sich andere um mehr Sachlichkeit.

In Deutschland sind rund zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig, ein Viertel der Erwachsenen ist adipös. Behandlungsbedarf ist also da und Semaglutid (ebenso wie Liraglutid) ist tatsächlich zur Gewichtsreduktion zugelassen. Es ist allerdings nur als Ergänzung zu einer kalorienreduzierten Ernährung und verstärkter körperlicher Aktivität bei Menschen mit Adipositas oder mit einem BMI ≥ 27, wenn mindestens eine gewichtsbedingte Begleiterkrankung besteht, vorgesehen. Nicht gedacht ist es als Lifestylemedikament, um schnell ein paar Kilos von einem normalgewichtigen Körper loszuwerden. Ebenfalls vielversprechend scheint Tirzepatid zur Gewichtsreduktion zu sein (bisher nur bei Diabetes mellitus zugelassen).

In einer Phase-II-Studie wurde nun ein weiterer Wirkstoff zur Behandlung der Adipositas getestet, der dreifache Hormonrezeptoragonist Retatrutid. Er greift am glukoseabhängigen insulinotropen Peptid, GLP-1 (glucagon-like peptide 1) und Glucagonrezeptor an.

Erhebliche Gewichtsabnahme unter Retatrutid

338 Teilnehmer erhielten randomisiert und doppelblind einmal wöchentlich 1 mg, 4 mg, 8 mg oder 12 mg Retatrutid oder Placebo über 48 Wochen. Die 4-mg- und 8-mg-Gruppe waren jeweils noch einmal unterteilt und erhielten unterschiedliche Initialdosen. Primärer Endpunkt war die prozentuale Veränderung des Körpergewichts nach 24 Wochen:

  • −7,2% in der 1-mg-Gruppe
  • −12,9% in der kombinierten 4-mg-Gruppe
  • −17,3% in der kombinierten 8-mg-Gruppe
  • −17,5% in der 12-mg-Gruppe
  • −1,6% in der Placebo-Gruppe

Nach 48 Wochen hatten zahlreiche Patienten eine Gewichtsreduktion von mindestens 5% erreicht, viele aber auch von 10% und mehr oder sogar über 15%.

  • 1-mg-Gruppe: 64% vs. 27% vs. 16%
  • Kombinierte 4-mg-Gruppe: 92% vs. 75% vs. 60%,
  • Kombinierte 8-mg-Gruppe: 100% vs. 91% vs. 75%
  • 12-mg-Gruppe: 100% vs. 93% vs. 83%
  • Placebo-Gruppe: 27% vs. 9% vs. 2%

Je höher der initiale BMI, desto höher war auch die durchschnittliche prozentuale Gewichtsreduktion. Außerdem verbesserten sich Taillenumfang, Blutdruck, HBA1c-Wert sowie Nüchternglucose-, Insulin-, und Lipidspiegel. 72% der Teilnehmer mit Prädiabetes erreichten unter der Therapie wieder einen normoglykämischen Zustand. Unerwünschte Ereignisse waren dosisabhängig, hauptsächlich traten gastrointestinale Beschwerden auf.

Phase-III-Studien geplant

Die Autoren resümieren, dass Retatrutid zu einem beträchtlichen Gewichtsverlust geführt hat und dass diese Ergebnisse die weitere Untersuchung des Wirkstoffes in einem geplanten Phase-III-Programm unterstützen.

Überdies zeigte auch eine weitere Phase-II-Studie, in der Retatrutid primär zur Behandlung des Typ-2-Diabetes getestet wurde, einen signifikanten Gewichtsverlust bei den Studienteilnehmern.

Quelle

Jastreboff AM, et al. Triple-Hormone-Receptor Agonist Retatrutide for Obesity – A Phase 2 Trial. N Engl J Med 2023. Published online June 26, DOI: 10.1056/NEJMoa2301972