Die Hormontherapie mit Östrogen allein oder in Kombination mit einem Gestagen zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden ist mittlerweile mit ihren Vor- und Nachteilen gut untersucht. Anders sieht es bei der Hormontherapie zur Primärprävention von chronischen Erkrankungen aus. In einem systematischen Review wurde die Datenlage analysiert, mit dem Ziel, die früheren Empfehlungen zu aktualisieren.
Wechseljahresbeschwerden vs. Prävention von chronischen Erkrankungen
Bei starken Wechseljahresbeschwerden kann eine Hormontherapie – zumindest kurzfristig – in Erwägung gezogen werden. Sie gilt derzeit als das wirksamste Mittel gegen Hitzewallungen und Schweißausbrüche. Auch zur Prävention bestimmter chronischer Erkrankungen wie kardiovaskuläre Erkrankungen, Osteoporose, kognitiven Einschränkungen und manchen Krebsarten wurde in der Vergangenheit mit Hormonen behandelt. Im Jahr 2017 hat die USPSTF (US Preventive Services Task Force) die Hormongabe zur primären Prävention von chronischen Erkrankungen nicht empfohlen. Ein aktueller Review hatte das Ziel, aktualisierte Empfehlungen zur Hormongabe zur Primärprävention von chronischen Erkrankungen herauszugeben.
Welche Hormone werden eingesetzt?
Es wurden viele verschiedene Therapieschemata und Dosierungen von Östrogen mit oder ohne Gestagen angewendet. Frauen, die noch ihre Gebärmutter haben, erhalten eine Kombination aus Östrogen und Gestagen. Die Kombination der Wirkstoffe soll die Gebärmutterschleimhaut schützen und damit Wucherungen und Endometriumkarzinome verhindern. Frauen, die sich einer Hysterektomie unterzogen haben, erhalten ausschließlich Östrogen.
Studiendesign
Für dieses Review wurden alle Studien im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2016 und 12. Oktober 2021 in den Datenbanken PubMed/MEDLINE, Cochrane Library, EMBASE und den klinischen Studienregistern gescreent. Folgende englischsprachige Studiendesigns wurden einbezogen:
- Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs)
- Prospektive Kohortenstudien
Untersuchte Endpunkte waren Morbidität und Mortalität in Bezug auf chronische Erkrankungen sowie gesundheitsbezogene Lebensqualität.
Vorteil für Diabetes und Osteoporose-bedingte Knochenbrüche
Insgesamt wurden 20 RCTs (N=39.145) und 3 Kohortenstudien (N=1.155.410) in die Analyse eingeschlossen.
Sowohl die Kombinationstherapie (Östrogen + Gestagen) als auch die ausschließliche Östrogentherapie zeigte gegenüber Placebo Vorteile bezüglich des späteren Auftretens von Diabetes und Osteoporose-bedingten Knochenbrüchen.
Pro 10.000 Personen zeigte die Kombinationstherapie von Östrogen plus Gestagen vs. Placebo weniger Krankheitsfälle für folgende Erkrankungen:
- Diabetes: 403 vs. 482 Fälle über 5,6 Jahre; 78 Fälle weniger [95%-KI 15-133]
- Knochenbrüche: 864 vs. 1094 Fälle über 5 Jahre; 230 Fälle weniger [95%-KI 66-372]
- Kolorektalkarzinom: 59 vs. 93 Fälle über 5,6 Jahre; 34 Fälle weniger [95%-KI 9-51]
Pro 10.000 Personen zeigte die Östrogentherapie vs. Placebo weniger Krankheitsfälle für folgende Erkrankungen:
- Diabetes: 1050 vs. 903 Fälle; 134 Fälle weniger über 7,1 Jahre [95%-Konfidenzintervall (KI) 18-237]
- Knochenbrüche: 1024 vs. 1413 Fälle; 388 Fälle weniger über 7,2 Jahre [95%-KI 277-489]
Nachteil für venöse Thromboembolien, invasiven Brustkrebs und Schlaganfall
Die Nachteile der Hormontherapie vs. Placebo wurden bei invasivem Brustkrebs, Gallenblasenerkrankungen, Schlaganfall, venösen Thromboembolien und Harninkontinenz festgestellt.
Pro 10.000 Personen zeigte die Kombinationstherapie vs. Placebo mehr Krankheitsfälle für folgende Erkrankungen:
- Invasiver Brustkrebs: 242 vs. 191 Fälle; 51 Fälle mehr [95%-KI 6-106]
- Gallenblasenerkrankungen: 723 vs. 463 Fälle; 260 Fälle mehr [95%-KI 169-364]
- Schlaganfall: 187 vs. 135 Fälle; 52 Fälle mehr [95%-KI 12-104]
- Venöse Thromboembolien: 246 vs. 126 Fälle; 120 Fälle mehr [95%-KI 68-185]
Pro 10.000 Personen zeigte die Östrogentherapie vs. Placebo mehr Krankheitsfälle für folgende Erkrankungen:
- Gallenblasenerkrankungen: 1113 vs. 737 Fälle; 377 Fälle mehr [95%-KI 234-540]
- venöse Thromboembolien: 258 vs. 181 Fälle; 77 Fälle mehr [95%-KI 19-153]
- Harninkontinenz: 2331 vs. 1446 Fälle; 885 Fälle mehr [95%-KI 659-1135]
Fazit
Zur Primärprävention von Diabetes und durch Osteoporose-bedingte Knochenbrüche zeigten sowohl Östrogen als auch eine Kombination aus Östrogen und Gestagen Vorteile gegenüber Placebo. Allerdings traten besonders bei der Kombinationstherapie mit Östrogen und Gestagen häufiger invasiver Brustkrebs, Schlaganfall, venöse Thromboembolien sowie Gallenblasenerkrankungen auf.
Quellen
Gartlehner G et al. Hormone therapy for the primary prevention of chronic conditions in postmenopausal persons. Updated evidence report and systematic review for the US preventive services task force. JAMA 2022; 328(17):1747-1767
Hormontherapie bei Wechseljahresbeschwerden. Gesundheitsinformation.de (Zugriff am 17.11.2022).