Unstatistik des Monats: Globuli und der Placebo-Effekt

Es gibt kaum ein Thema, das so heiß diskutiert wird wie die Sinnhaftigkeit von Homöopathie – so auch wieder in den vergangenen Wochen. Ein perfekter Anlass für das Essener Team der „Unstatistik des Monats“, sich die wissenschaftlichen Argumente zur Wirksamkeit von Globuli noch einmal genauer anzusehen.

Diskussionen um die Wirksamkeit homöopathischer Mittel

Die Weiterbildung im Bereich der Homöopathie wird von immer mehr Ärztekammern eingestellt. In der Folge dürfen Ärzte nicht mehr mit dieser Therapieform werben. Manfred Lucha, Landesgesundheitsminister von Baden-Württemberg, wollte diese Vorgänge genauer prüfen lassen. Die Arzneimittelexpertin Paula Piechotta widersprach wiederum der These, es gäbe „eine ganze Reihe klinischer Studien, die eine Wirkung der Homöopathie belegen“. Und in ihrer Sendung MaiThinkX vom 18. September 2022 auf ZDFneo zeigte die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim auf eine ganz eigene Art, dass von Globuli keine Wirkung zu erwarten sei.

Die Experten der „Unstatistik des Monats“ nehmen die Diskussion zum Anlass, die Sache mit der Signifikanz genauer zu erläutern.

Zufall und zu viele Studienteilnehmer können Wirksamkeit suggerieren

In der evidenzbasierten Medizin sind randomisierte, kontrollierte Studie das „A und O“. Doch selbst wenn man erfolgreich alle verzerrenden Faktoren neutralisiert, bleiben zufällige Schwankungen bestehen. Statistische Tests sollen dabei helfen, zu zeigen, ob ein möglicher Effekt echt bzw. signifikant ist oder doch eher zufällig. Aber selbst der beste Test kann bei Abwesenheit jedweden Effekts zu falsch-positiven Ergebnissen führen. In der Unstatistik heißt es dazu:

Wenn man 100 derartige Studien durchführt, ist zu erwarten, dass man allein aufgrund der statistischen Unsicherheit in 5 Studien eine Wirkung findet, selbst wenn keine Wirkung vorliegt. Und diese Studien werden von den Anhängern der Homöopathie natürlich in den Vordergrund gerückt.

Bei seriösen wissenschaftlichen Studien muss zudem vorab festgelegt werden, wie groß die Fallzahlen sein sollen und ab wann eine Wirkung groß genug ist, um für einen Patienten einen Unterschied zu machen. Sind die Teilnehmerzahlen zu groß, können selbst winzig kleine Unterschiede zwischen Gruppen plötzlich signifikant werden. Aus diesem Grund sind Studien gerade dann mit Vorsicht zu genießen, wenn Tausende von Menschen daran teilgenommen haben, so die Autoren der Unstatistik. Dies führe zu einer „Schein“-Evidenz.

„Heute ist nichts passiert!“

So etwas titelt kaum ein Medium gerne. Doch werden positive Ergebnisse überrepräsentiert und negative unterschlagen, kommt es zu einem Publikations-Bias. Dies scheint gerade bei Studien zur Wirksamkeit homöopathischer Behandlungen ein erhebliches Problem zu sein.

Wenn das Placebo mehr schadet als das Verum nutzt

In der aktuellen Unstatistik wird ein weiteres Problem angesprochen: Der Nutzen des Verums kann überinterpretiert werden, wenn das Placebo nicht unwirksam ist, sondern sogar schädlich. Dieser Effekt trat wohl vor einiger Zeit bei der REDUCE-IT-Studie zu Fischöl auf. In der randomisierten Studie mit mehr als 8000 Teilnehmern erhielt ein Teil hochdosierte Eicosapentaensäure (Fischöl), der andere ein mit Mineralöl versetztes Placebo. Die Studie ergab ein um 25 % reduziertes Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen unter Fischöl. In einer Folgestudie mit Maisöl als Placebo ließ sich dieses Ergebnis jedoch nicht bestätigen. Die „positiven“ Gesundheitseffekte waren mutmaßlich dadurch zustande gekommen, dass in REDUCE-IT das Placebo in der Kontrollgruppe schadete.

Die vollständige Unstatistik ist auf den Seiten des RWI Essens nachzulesen.

Unstatistik des Monats

Mit der Unstatistik des Monats hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer, die STAT-UP-Gründerin Katharina Schüller und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat jüngst publizierte Zahlen und deren Interpretationen.

Quelle

Unstatistik des Monats vom 30. September 2022, https://www.rwi-essen.de/presse/wissenschaftskommunikation/unstatistik/detail/p-werte-und-placebo-effekte-wie-globuli-wirken