Antidiabetikum Tirzepatid zur Adipositastherapie

In einer aktuellen Studie führte die Behandlung mit Tirzepatid zu einer erheblichen, klinisch bedeutsamen Gewichtabnahme. Bisher in dieser Indikation zugelassene Antidiabetika sind Liraglutid und Semaglutid.

Adipositastherapie nach wie vor schwierig

In Deutschland sind etwa zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig (BMI ≥ 25). Ein Viertel der Erwachsenen – Männer und Frauen gleichermaßen – ist adipös (BMI ≥ 30). Der Leidensdruck ist oft groß und es drohen gesundheitliche Probleme und Spätfolgen. Trotzdem wird eine Behandlung nicht flächendeckend und oft nicht vollständig von den Krankenkassen bezahlt. Das gilt für Abnehmprogramme, Arzneimittel und chirurgische Therapien gleichermaßen.

Nichtsdestotrotz sind neben konservativen Behandlungen wie Ernährungs-, Verhaltens- und Bewegungstherapie einige Arzneimittel für die Gewichtsreduktion zugelassen und in Deutschland verfügbar. Dazu zählen GLP-1(Glucagon-like peptide-1)-Agonisten, die sich bereits in der Diabetes-Behandlung etabliert haben.

Liraglutid ist seit 2015 für Erwachsene und seit 2021 auch für Jugendliche ab 12 Jahren zur Gewichtsabnahme zugelassen. Seit Anfang 2022 ist auch Semaglutid bei Erwachsenen in dieser Indikation einsetzbar, das gegenüber Liraglutid den Vorteil hat, dass es nur einmal wöchentlich statt täglich gespritzt werden muss.

Weiteres Arzneimittel in der Pipeline

In den USA ist für die Indikation Diabetes überdies Tirzepatid verfügbar: Der duale Agonist wirkt an Rezeptoren von GLP-1 und GIP (Glucose-dependent insulinotropic polypeptide) und muss wie Semaglutid einmal wöchentlich subkutan appliziert werden. In einer aktuellen, randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie wurde nun dieses Antidiabetikum auch zur Behandlung der Adipositas getestet.

Tirzepatid zur wöchentlichen Anwendung

Es nahmen 2539 Erwachsene mit einem BMI über 30 (94,5%) bzw. über 27 plus einer gewichtsbedingten Begleiterkrankung an der Studie teil. Das durchschnittliche Ausgangsgewicht lag bei 104,8 kg, der durchschnittliche BMI bei 38.

Die Teilnehmer erhielten 1:1:1:1 Tirzepatid (5 mg, 10 mg, 15 mg) oder Placebo über 72 Wochen. Nach dieser Zeit hatten Patienten der Verumgruppen in jeder Dosierung signifikant mehr Gewicht verloren als diejenigen in der Placebogruppe.

5 mg Tirzepatid 10 mg Tirzepatid 15 mg Tirzepatid Placebo
Gewichtsverlust (vom ursprünglichen Körpergewicht [KG]) −15,0% −19,5% -20,9% −3,1%
Mindestens 5% KG verloren (Anteil Patienten) 85,1% 88,9% 90,9% 34,5%
Mindestens 10% KG verloren (Anteil Patienten) 68,5% 78,1% 83,5% 18,8%
Mindestens 20% KG verloren (Anteil Patienten) 30,0% 50,1% 56,7% 3,1%

Auch hinsichtlich einiger kardiometabolischer Risikofaktoren, beispielsweise Blutdruck und Blutfettwerte, erwies sich Tirzepatid als vorteilhaft. 95,3% der Tirzepatid-Anwender mit Prädiabetes bei Studienbeginn hatten nach 72 Wochen wieder normoglykämische Werte (61,9% unter Placebo).

Nebenwirkungen waren in der Verumgruppe häufiger. Sie traten vor allem in der Eindosierungsphase auf, waren meist leicht bis mittelschwer ausgeprägt und überwiegend gastrointestinal. Nur schwere Nebenwirkungen wurden in Verum- und Placebogruppe ähnlich häufig berichtet.

Hoher, anhaltender Gewichtsverlust

Die Studienautoren resümieren, dass mit Tirzepatid ein erheblicher und anhaltender Gewichtsverlust bei Patienten mit Adipositas erzielt werden kann. Als klinisch relevant werde oft eine Gewichtsabnahme um mindestens 5% des Körpergewichts eingestuft. Das erreichten die meisten Teilnehmer unter Tirzepatid. Bei vielen war der Gewichtsverlust sogar noch größer, was bei einigen gewichtsbedingten Problemen erstrebenswert sei.

Quelle

Jastreboff AM, et al. Tirzepatide once weekly for the treatment of obesity. N Engl J Med 2022;387:205–16.