Gültige Empfehlungen für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Rheuma werden im Klinikalltag zu selten umgesetzt, so lautet das Fazit einer Expertenkommission. Handlungsprotokolle sollen die Versorgung verbessern.
Kluft zwischen Theorie und Praxis
Therapiestandards und Leitlinien sind vorhanden, jedoch hapert es an der einheitlichen Umsetzung – so lautet das Urteil der PRO-KIND-Kommission der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR). Den etwa 40.000 Kindern und Jugendlichen mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen in Deutschland stehen ungefähr 100 kinderrheumatologische Einrichtungen gegenüber. Häufige Mängel in der klinischen Praxis sind zu spät einsetzende Behandlungen sowie Therapiemethoden, die nicht dem aktuellen Stand entsprechen.
Starke Belastung für junge Patienten
Ein Beispiel ist die polyartikuläre juvenile idiopathische Arthritis (pJIA), die mit der Entzündung mehrerer Gelenke mit unklarer Ursache verbunden ist. „Unbehandelt zieht die pJIA schwere Bewegungseinschränkungen oder im schlimmsten Fall auch eine Gelenkzerstörung nach sich“, sagt Prof. Dr. med. Dirk Föll, Münster.
Die damit verbundenen Schmerzen und ihre Folgen stellen eine starke Beeinträchtigung im Leben der jungen Menschen dar, weshalb eine frühe Diagnose und eine optimale Therapie besonders wichtig sind.
Je früher Kindern und Jugendlichen eine Diagnose und eine adäquate, spezialisierte Behandlung zuteilwird, desto besser sind die Aussichten auf ein beschwerdefreies Leben.
Verbesserte Behandlungsstrategie zeigt erste Erfolge
Die Kommission PRO-KIND hat vor fünf Jahren Handlungsprotokolle für die Behandlung von jungen Patientinnen und Patienten mit Arthritis entwickelt, um deren Versorgung zu verbessern. Auf der Basis gültiger Leitlinien, die zwar evidenzbasiert, jedoch oft langsamen Entwicklungsprozessen unterworfen sind, sollen die Protokolle schnelle, praxisnahe und zielgerichtete Therapien erreichen. Aktuellstes Wissen soll auf diesem Weg in die klinische Praxis transportiert werden und dabei helfen, internationale Diagnostik- und Therapiestandards zu etablieren. Ein weiteres Ziel ist, die Langzeitprognose von Rheuma im Kindesalter zu verbessern. Denn bisher stellte sich nur bei etwa jedem zweiten Kind eine dauerhafte Remission, also ein symptomfreies Leben, ein. Die Behandlungsstrategie sowie erste Ergebnisse zu deren Umsetzung wurden auf einer Pressekonferenz im Rahmen des Deutschen Rheumatologiekongresses 2022 vorgestellt.
Ob die flächendeckende Anwendung der Handlungsprotokolle gelingt und dadurch die Erkrankungsverläufe positiv beeinflusst werden können, soll die Beobachtungsstudie PRO-KIND-Rheuma mit Daten von 500 Kindern und Jugendlichen mit kürzlich zurückliegender Rheuma-Diagnose zeigen. Erste Auswertungen bestätigen eine breite Anwendung der Therapieempfehlungen im Klinikalltag: Die Behandlung von circa 70 % der Patienten erfolgte entlang der Protokolle. Darüber hinaus ergab eine Analyse nach dreimonatiger Behandlungsdauer für 77 % von 52 untersuchten pJIA-Patienten eine deutliche Minderung der Krankheitsaktivität. Für sie erfolgte anhand der vorgeschlagenen Behandlungsprotokolle gemäß dem „treat-to-target“-Prinzip eine Therapie mit krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARDs) wie Methotrexat (MTX) und Glucocorticoid-Injektionen in die Gelenke. Sie konnten innerhalb eines Jahres den Zustand einer ruhenden Erkrankung erreichen.
Quellen
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). Online-Pressekonferenz anlässlich des Deutschen Rheumatologiekongresses 2022. 23. August 2022.
Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). Pressemitteilung „Studie: Neue Therapieempfehlungen zeigen Wirkung bei Kindern und Jugendlichen mit Rheuma“. 18.08.2022.