Migränepatienten sollten ihrem Blutdruck besondere Aufmerksamkeit schenken. Eine aktuelle Studie untermauert Hinweise für ein erhöhtes Hypertonie-Risiko.
Unterschätzt und unerkannt
Hypertonie stellt ein verbreitetes und häufig unterschätztes Gesundheitsrisiko dar. Obwohl jeder Anstieg um 20/10 mmHg das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verdoppelt, ist das Blutdruckmanagement bei vielen Patienten unzureichend. Zudem bleiben viele Erkrankungen unentdeckt. Hypertonie zu erkennen und adäquat zu behandeln, ist daher ein wichtiges Ziel.
In früheren Studien wurde bereits über einen deutlichen Zusammenhang zwischen starken Kopfschmerzen und Bluthochdruck berichtet. Es bestehen vermehrt Hinweise, dass Migränepatienten ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, unter anderem für Bluthochdruck, haben. Die epidemiologische Beweislage ist jedoch dünn.
Aktuelle Studie mit Migränepatienten …
Eine aktuelle Studie aus Finnland sollte mehr Licht ins Dunkel dieser Fragestellung bringen. Basis der Analyse waren Daten aus der finnischen populationsbasierten Kohortenstudie Health and Social Support (HeSSup) Study. Ergänzend flossen eine Follow-up-Befragung sowie Registerdaten zu erstatteten Hypertonie-Arzneimitteln mit ein. Informationen über Migräneerkrankungen waren selbstberichtet, der Bluthochdruck ärztlich bestätigt. Zu Beginn der Studie lag bei keinem der Probanden Hypertonie vor. Chronische Migräne war definiert als ≥ 15 Kopfschmerztage in einem Monat, wobei an acht Tagen im Monat die Kriterien gemäß der Internationalen Klassifikation der Kopfschmerzerkrankungen (ICHD-3) erfüllt werden mussten.
Für die Analyse konnten Daten von insgesamt 8593 Personen im erwerbsfähigen Alter ausgewertet werden. Die Autoren wollten ermitteln, ob sich bei Migränepatienten innerhalb von 15 Jahren häufiger eine Hypertonie einstellte, als bei Nicht-Migränepatienten.
… bestätigt erhöhtes Hypertonie-Risiko
Nach Bereinigung um zentrale soziodemographische und gesundheitliche Faktoren wie Geschlecht, Alter, Ausbildung, körperliche Aktivität, BMI, Alkoholkonsum und Raucherstatus war tatsächlich ein signifikanter Unterschied erkennbar: 26,9% versus 21,7% (p < 0,001). Das Risiko für Bluthochdruck war bei anfänglicher Migräne etwa um das 1,37-Fache höher (95%-Konfidenzintervall 1,20–1,57).
Darüber hinaus trat Hypertonie unter den Migränepatienten öfter auf:
- bei Frauen als bei Männern,
- bei älteren Menschen,
- bei geringerem Bildungsstand,
- bei Alleinlebenden,
- bei einem BMI ≥25,
- bei starkem Alkoholkonsum und
- bei Rauchern mit ≥ 5 Zigaretten täglich.
Es bleiben Fragen offen
Ein Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und Bluthochdruck ist bekannt. Kopfschmerz gilt schließlich auch als Hypertonie-Symptom. Das Phänomen Migräne bleibt trotz zunehmender Erkenntnisse in einigen Punkten der Pathophysiologie diffus. Vermutlich spielt das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, Regulator des Flüssigkeits- und Elektrolythaushalts und maßgebliche Einflussgröße des Blutdrucks, auch bei der Assoziation von Migräne und Hypertonie eine wichtige Rolle. Die Wirksamkeit von ACE-Hemmern und Angiotensin(AT1)-Rezeptorantagonisten gegen Migräneattacken unterstützen diese These.
Für die umgekehrte Wirkung, also die Frage, ob Bluthochdruck Migräne vorhersagen kann, fanden die Autoren übrigens keine Hinweise.
Erhöhte Wachsamkeit sinnvoll
Auch wenn die Zusammenhänge noch nicht im Detail geklärt sind, ergibt sich aus diversen Hinweisen und der aktuellen Studie eine erhöhte Prävalenz für Hypertonie unter Migränepatienten. Daher erscheint es den Autoren sinnvoll, bei diesem Krankheitsbild besondere Aufmerksamkeit auf die Bluthochdruckprävention und -früherkennung zu richten.
Quelle
Entonen AH, Suominen SB, Sillanmäki LH, et al. Prevalent migraine as a predictor of incident hypertension. Eur J Public Health 2022; doi:10.1093/eurpub/ckab219.