Wäre es nicht schön, wenn es vollautomatisierte Pumpensysteme gäbe, die die Aufgabe des Pankreas vollständig übernehmen könnten und sich Diabetiker keine Gedanken mehr um die Insulinapplikation vor den Mahlzeiten machen müssten? Mit den „Hybrid-Closed-Loop-Systemen“ ist immerhin ein Schritt in diese Richtung gemacht.
Was sind (Hybrid-)Closed-Loop-Systeme?
Es handelt sich um automatisierte Insulinabgabesysteme, die in der Therapie des Diabetes mellitus Typ 1 eingesetzt werden. Bestandteile sind eine Insulinpumpe und ein kontinuierliches Glucosemesssystem (CGM), die über eine Software miteinander verbunden sind. Über den Glucosesensor ermittelt das System kontinuierlich und in Echtzeit die Blutglucosekonzentration (BGK) und passt die basale Insulingabe dementsprechend an.
Bei einem Hybrid-Closed-Loop-System (HCLS) müssen die Patienten die geschätzte Kohlenhydratmenge der Mahlzeiten selbst eingeben. Auf Basis der eingegebenen Werte schlägt das System dann einen Mahlzeitenbolus vor, den der Anwender aktiv bestätigen muss, bevor die Insulinabgabe erfolgt. Im Gegensatz dazu sind Closed-Loop-Systeme in der Lage, die Glucosekonzentration in der Gewebeflüssigkeit automatisch zu messen und die erforderliche Insulindosis eigenständig zu applizieren – die manuelle Eingabe des Mahlzeitenbolus entfällt.
Forschungsteam prüft Einsatz bei Kindern
Sind Hybrid-Closed-Loop Systeme besser geeignet für die Therapie von Kindern mit Typ-1-Diabetes als die sensorgestützte Insulinpumpentherapie (= Insulinpumpe und CGM)? Da die potenziellen Vorteile bislang unklar waren, hat das Forschungsteam um Ware J, et al. die beiden Therapieoptionen in einer internationalen Cross-over-Studie verglichen.
Studiendesign
Die randomisierte Cross-over-Studie wurde an sieben Zentren in Österreich, Deutschland, Luxemburg und Großbritannien durchgeführt. Eingeschlossen waren 74 Kinder im Alter von ein bis sieben Jahren mit Diabetes mellitus Typ 1. Die Patienten erhielten entweder ein Hybrid-Closed-Loop-System (CL-Gruppe) oder eine sensorgestützte Insulinpumpentherapie (Kontrollgruppe). Die Interventionen wurden in zwei Phasen à 16 Wochen in zufälliger Reihenfolge durchgeführt. Primärer Endpunkt war die Differenz des prozentualen Zeitanteils, in der die Werte während der Sensorglucosemessung im Zielbereich von 70 bis 180 mg/dl lagen. Zu den sekundären Endpunkten gehörten:
- Prozentualer Zeitanteil, den die Patienten im hyperglykämischen (BGK > 180 mg/dl) bzw. hypoglykämischen (BGK < 70 mg/dl) Status verbrachten
- HbA1c-Wert
- Mittlerer Sensorglucosespiegel
- Sicherheit
Ergebnisse
Das Alter der eingeschlossenen Patienten lag im Mittel bei 5,6±1,6 Jahre und der HbA1c-Wert betrug zu Beginn 7,3±0,7 %.
- Der prozentuale Zeitanteil, in der die Glucosekonzentration innerhalb des Zielbereichs (70–180 mg/dl) lag, war in der CL-Gruppe 8,7 Prozentpunkte höher als in der Kontrollgruppe (95%-Konfidenzintervall [KI] 7,4–9,9; p<0,001).
- Die mittlere Differenz (CL-Gruppe minus Kontrollgruppe) des prozentualen Zeitanteils, die die Patienten in einem hyperglykämischen Stadium verbrachten, betrug −8,5 Prozentpunkte (95%-KI −9,9 bis −7,1). In einem hypoglykämischen Stadium verweilten die Patienten in beiden Gruppen ähnlich lang (p=0,74).
- Die Differenz der HbA1c-Werte zwischen den Interventionen betrug −0,4 Prozentpunkte (95%-KI −0,5 bis −0,3)
- Der Unterschied der mittleren Sensorglucoselevel lag bei −12,3 mg/dl (95%-KI −14,8 bis −9,8) (p<0,001 für alle Vergleiche).
- Während der CL-Phase trat ein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis (schwere Hypoglykämie) auf, das die Autoren jedoch nicht auf die Behandlung selbst zurückführten.
Zusammenfassend konnte das Hybrid-Closed-Loop-System die glykämische Kontrolle bei sehr jungen Kindern mit Typ-1-Diabetes signifikant verbessern, ohne jedoch das Hypoglykämie-Risiko zu erhöhen.
Ausblick
Insulinpumpen, smarte Pens, die CGM oder HCLS ermöglichen bereits heute eine adäquate glykämische Kontrolle von (kindlichen) Diabetikern. Die Bestimmung der Glucosekonzentration vor einer Mahlzeit und die manuelle Applikation der benötigten Insulindosis ersetzen sie allerdings nicht. Daher ist die Weiterentwicklung der HCLS zu vollautomatischen Closed-Loop Systemen naheliegend und Gegenstand aktueller Forschungsprojekte. Letztere sollen die Bolusgaben und damit die Funktion des Pankreas vollumfänglich übernehmen („künstlicher Pankreas“). Obwohl es noch eine Weile dauern könnte, bis konkrete Geräte auf dem (deutschen) Markt vorhanden sind, haben die bisherigen Ergebnisse mit HCLS deutliche Vorteile für Studienpatienten gezeigt.
Smarte Insuline?!
Den nächsten Schritt könnten „smarte“ bzw. „Glucose-sensitive Insuline“ darstellen. Das Ziel dieses Ansatzes besteht darin, ein langfristiges Insulindepot im Körper anzulegen. Aus diesem soll das Peptidhormon bei steigenden BGK bedarfsweise ins Blut abgegeben werden. Aber auch die Erforschung letzterer befindet sich noch in den Kinderschuhen und bis zur tatsächlichen Anwendung ist es noch ein weiter Weg. Nichtsdestotrotz bleibt es spannend: Denn sowohl vollautomatisierte CLS als auch smarte Insuline hätten das Potenzial, die Therapie des Typ-1-Diabetes zu revolutionieren.
Quellen
- Ware J, et al. Randomized trial of closed-Loop control in very young children with type 1 diabetes. N Engl J Med 2022;386:209-219. doi: 10.1056/NEJMoa2111673
- Das Diabetesinformationsportal diabinfo
„Zusammenfassung digitale Anwendungen bei Diabetes“