Watchful – mit einer Uhr gegen Harninkontinenz?

Klingelhosen auf Rezept für Kinder mit Harninkontinenz sind zwar nicht gerade häufig, aber alte Bekannte in den meisten öffentlichen Apotheken. Uhren mit Alarmfunktion sind dagegen wohl eher ungewöhnlich. Was können letztere therapeutisch tatsächlich im Hinblick auf das kindliche Einnässen leisten?

Wissenswertes über das Einnässen

Einnässen im Kindesalter ist jeder unwillkürliche Urinverlust und wird auch als Harninkontinenz (HI) bezeichnet. Liegt keine organische Ursache (Anomalie des Urogenitaltraktes) zugrunde, spricht man von einer funktionellen HI. Ein Großteil der Kinder nässt sowohl tagsüber als auch in der Nacht (Enuresis) ein, wovon Jungen etwa zwei Mal häufiger betroffen sind als Mädchen. Die Prävalenz variiert, je nach betrachtetem Studienkollektiv, stark und liegt bei Kindern im Alter von sieben Jahren durchschnittlich bei 10 %, mit steigendem Lebensalter nimmt sie jedoch ab. Unbehandelt kann kindliches Einnässen in bis zu 2 % der Fälle bis zum Erwachsenenalter persistieren. Die Diagnose erfolgt anhand von Fragebögen (Anamnese, bisherige Therapieversuche), einer körperlichen Untersuchung (Ausschluss angeborener Anomalien des Urogenitaltraktes) und einem Blasentagebuch („Pippi-Protokoll“), das die Trink- und Miktionsmengen enthält.

Was sagt die Leitlinie?

Die S2k-Leitlinie „Enuresis und nicht-organische (funktionelle) Harninkontinenz bei Kindern und Jugendlichen Update 2021“ befasst sich mit der Therapie von Kindern und Jugendlichen von fünf bis 18 Jahren, da das Einnässen bis zum Alter von fünf Jahren als physiologischer Entwicklungsprozess betrachtet wird und entsprechend häufig auftritt. Aus diesem Grund sollte die Diagnose erst ab dem vollendeten fünften Lebensjahr gestellt werden. Der erste Schritt ist die Dokumentation trockener und nasser Tage bzw. Nächte. Führt das allein nicht zum Erfolg, stehen für die Enuresis (nächtliches Einnässen) zwei weitere Therapiemöglichkeiten zur Verfügung:

  • Apparative Verhaltenstherapie (AVT) über mindestens zwei bis drei Monate
  • Gabe von Desmopressin

Bei der AVT soll ein nächtlicher Wecker, eine Klingelhose oder -matte die betroffenen Kinder an das regelmäßige Wasserlassen erinnern und so dem Einnässen entgegenwirken. Gemäß Leitlinie sind alle tragbaren Geräte gleich wirksam. Das Ziel der AVT ist es, 14 trockene Tage hintereinander zu erreichen. Dementsprechend lange sollen Eltern die AVT durchführen, insgesamt aber nicht länger als 16 Wochen. Aufgrund besserer Langzeiterfolge ist die AVT im Vergleich zu Desmopressin Mittel der ersten Wahl.

Pharmakotherapie der überaktiven Blase

Kinder haben häufig eine gestörte Wahrnehmung  für den Füllungszustand der Blase und tendieren dazu, den Harndrang zu ignorieren, weil sie anderweitig, beispielsweise mit dem Spielen, beschäftigt sind. Neben Desmopressin setzen Kinderärzte für die Therapie der überaktiven Blase auch Anticholinergika wie Propiverin (1. Wahl) und Oxybutynin ab fünf Jahren sowie Trospiumchlorid ab 12 Jahren ein. Diese Wirkstoffe verbessern die Enuresis zwar, eine stabile Kontinenz erzielen sie allerdings selten und die Rückfallquote ist mit etwa 50 % nach Beendigung der Therapie relativ hoch. Neuere Anticholinergika wie Tolterodin, Solifenacin, Darifenacin werden off-label eingesetzt, wenn die erstgenannten Anticholinergika unwirksam waren. In Einzelfällen und nach strenger Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses kann auch Botulinumtoxin eingesetzt oder mit elektrischer Nervenstimulation behandelt werden.

WATCH-Studie

Da geplante Blasenentleerungen Teil der Standardtherapie sind, haben die Studienautoren geprüft, ob eine Uhr mit Alarmfunktion die zeitgesteuerte Blasenentleerung und damit die Therapie der (funktionellen) HI unterstützen kann. „Watch with alarm for timed-voiding in children (WATCH)“ ist nicht nur das Akronym der randomisierten, kontrollierten Studie, sondern buchstäblich auch Programm: 243 eingeschlossene Kindern im Alter zwischen fünf und 13 Jahren, die unter am Tag vorkommender HI litten, wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Alle Teilnehmer erhielten eine Uhr, jeweils eine Gruppe mit und die andere ohne Alarmfunktion. Primärer Endpunkt war das Erreichen von 14 aufeinanderfolgenden trockenen Tagen nach drei Behandlungsmonaten, um das Potenzial einer zeitgesteuerten Blasenentleerung mit bzw. ohne Alarmfunktion zu evaluieren.

Ergebnisse enttäuschen

Von den 243 eingeschlossenen Kindern waren 62 % Mädchen und das Durchschnittsalter lag bei acht Jahren. Nach drei Monaten waren die Ergebnisse zwischen den beiden Gruppe vergleichbar, denn lediglich 22 % der Alarm-Gruppe und 17 % der Kontrollgruppe erreichten den primären Endpunkt. Hervorzuheben ist jedoch, dass die Therapieadhärenz in der Alarmgruppe mit 40 % deutlich höher ausfiel als in der Kontrollgruppe (10 %). Auch die Inkontinenz-Häufigkeit war in der Alarmgruppe geringer (25 % trocken, 40 % 1-3 nasse Tage/Woche, 24 % 4-6 nasse Tage/Woche, 12 % täglich) als in der Kontrollgruppe (19 %, 30 %, 35 % bzw. 16 %). Allerdings waren die Verbesserungen nur temporär und sechs Monate nach Studienbeginn bereits nicht mehr nachweisbar.

Auf das Toilettentraining kommt es an

Wesentlich für den Erwerb einer verlässlichen Blasenkontrolle ist das Toilettentraining, das sich aufgrund kultureller Gepflogenheiten in verschiedenen Ländern unterscheidet. In westlichen Ländern beginnt Toilettentraining bei den meisten Kindern im Alter zwischen 18 und 24 Monaten, häufig auch später. Unabhängig vom kulturellen Hintergrund oder Zeitpunkt bedeutet der Erwerb der Kontinenz für Kinder einen großen Entwicklungsschritt, den viele Kinder bereits ab dem dritten Lebensjahr erreichen können. Allerdings ist die Bandbreite der normalen Kontinenzentwicklung enorm groß. Entscheidend für den Erfolg ist die Zusammenarbeit zwischen Eltern und ihren Kindern, vor allem positives Feedback bei trockenen Tagen bzw. Nächten.

Fazit

Neue Therapieansätze bei kindlichem Einnässen wie eine Uhr mit Alarmfunktion, die die Kinder an das regelmäßige Wasserlassen erinnern soll, sind grundsätzlich begrüßenswert. Obwohl der Wecker ein tagsüber vorkommendes Einnässen nicht verhindern konnte, hat er die Adhärenz erhöht und die Inkontinenzphasen reduziert. Wenn verhaltenstherapeutische Maßnahmen (Klingelhosen, -matten, etc.) nicht ausreichen, kommen wirksame, spezifische Pharmakotherapien unterstützend zum Einsatz. Manchmal ist aber auch einfach nur eine gehörige Portion Geduld gefragt, bis sich das Einnässen von selbst erledigt. Immerhin liegt die Spontanremissionsrate bei etwa 15 % pro Jahr.

Quellen

  • Caldwell PHY, et al. An Alarm Watch for Daytime Urinary Incontinence: A Randomized Controlled Trial. Pediatrics 2022;149(1):e2021053863.
  • S2k-Leitlinie „Enuresis und nicht-organische (funktionelle) Harninkontinenz bei Kindern und Jugendlichen Update 2021“