Mehr als ein Jahr lang hat sich nicht viel in Sachen Neuzulassung von Arzneimitteln gegen COVID-19 getan. Nun sind gleich zwei neue Medikamente auf dem Markt: Casirivimab/Imdevimab (Ronapreve®) und Regdanvimab (Regkirona®). Sie bieten das Potenzial für einen Schritt Richtung Normalisierung in der Corona-Pandemie. Doch einen „Freifahrtschein“ für eine Beendigung aller Vorsichtsmaßnahmen stellen sie nicht dar.
Ein Schritt Richtung Normalisierung?
Seitdem im Juli 2020 mit Remdesivir das erste Arzneimittel zur Behandlung von schwerem COVID-19 zugelassen wurde, schien – neben der Impfstoffentwicklung – wenig passiert zu sein. Doch nun wächst das Portfolio an Behandlungsmöglichkeiten: Im November 2021 wurden gleich zwei neue Arzneimittel in Europa zugelassen. Weitere könnten bald folgen.
Bei den beiden neu zugelassenen Arzneimitteln handelt es sich um monoklonale Antikörper. Sie sind bei Patienten indiziert, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf ihrer Erkrankung haben, aber (noch) keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen. Während Regdanvimab nur zur Behandlung Erwachsener mit Symptomen zugelassen ist, kann Casirivimab/Imdevimab bereits ab 12 Jahren und mindestens 40 kg Körpergewicht angewendet werden und das sogar vorbeugend.
Beide Präparate werden innerhalb von sieben Tagen nach Auftreten von COVID-19-Symptomen als einmalige Infusion (intravenös, beide Präparate) oder als subkutane Injektion (nur Casirivimab/Imdevimab) verabreicht.
Soll die Kombination aus Casirivimab und Imdevimab zur Vorbeugung nach Kontakt mit einer infizierten Person angewendet werden, sollte dies so bald wie möglich nach dem Kontakt erfolgen. Außerdem kann die Kombination ohne erfolgten Risikokontakt zum Vorbeugen von COVID-19 angewendet werden: Die Gabe erfolgt dann alle vier Wochen, bis keine Prävention mehr erforderlich ist.
Monoklonale Antikörper sind keine „Pille danach“
Die Antikörper-Präparate stehen bereits seit einiger Zeit für Patienten mit erhöhtem Risiko für schwere Verläufe zur Verfügung. Das Bundesgesundheitsministerium hatte Casirivimab/Imdevimab bereits im Frühjahr 2021 zentral beschafft und für individuelle Heilversuche zur Verfügung gestellt.
Doch auch wenn die Antikörper-Kombination bei Risikopatienten bereits kurz nach einem positiven PCR-Testergebnis gegeben werden kann und das Potenzial bietet, Krankenhäuser zu entlasten, bedeutet das natürlich nicht, dass sie als Freifahrtschein für einen allzu sorglosen Umgang mit der Pandemie angesehen werden sollten. Stattdessen sollten sie zunächst Risikogruppen vorbehalten sein.
Das Sicherheitsprofil der Antikörperpräparate wird als günstig eingestuft. Dennoch können allergische Reaktionen, einschließlich Anaphylaxie, auftreten. Daher wird empfohlen, diese verschreibungspflichtigen Arzneimittel nur in Gesundheitseinrichtungen zu verabreichen, in denen Patienten angemessen überwacht und behandelt werden können.
Hintergrund: Was sagen die Studien?
Ronapreve
An der zulassungsrelevanten Studie zur Behandlung von COVID-19 (COV-2067) nahmen knapp 2400 Patienten teil, die keinen Sauerstoff benötigten und ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf ihrer Erkrankung hatten. Unter der Antikörper-Kombination in der zugelassenen Dosis (600mg/600mg) kam es innerhalb von 29 Behandlungstagen zu weniger Krankenhausaufenthalten oder Todesfällen als unter Placebo (11 von 1192 Patienten [0,9%] versus 40 von 1193 Patienten [3,4%]).
In die zulassungsrelevante Studie zur Prävention von COVID-19 (COV-2069) wurden 1505 Personen eingeschlossen, die engen Kontakt zu einem infizierten Haushaltsmitglied hatten, aber zunächst negativ auf SARS-CoV-2 getestet wurden. Unter der Antikörper-Kombination entwickelten innerhalb von 29 Tagen nach ihren Testergebnissen weniger Teilnehmer Symptome als unter Placebo (11 von 753 [1,5%] versus 59 von 752 Personen [7,8%]).
Auch unter den Teilnehmern, die nach Kontakt positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden, entwickelten unter Verum weniger Personen Symptome als unter Placebo (29 von 100 [29%] versus 44 von 104 [42%]).
Regkirona
An der Hauptstudie zu Regdanvimab nahmen 1315 Patienten mit COVID-19 teil. Auch unter Regdanvimab mussten weniger Patienten ins Krankenhaus, benötigeten Sauerstoff oder starben innerhalb von 28 Behandlungstagen: Unter den Patienten mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf waren es 14 von 446 (3%) versus 48 von 434 (11%).
Die Mehrheit der Patienten in der Studie war mit dem ursprünglichen SARS-CoV-2-Virus oder der Alpha-Variante infiziert – die Daten zur Wirksamkeit gegen andere zirkulierende SARS-CoV-2-Varianten sind somit begrenzt.
Ausblick
Weitere Zulassungen könnten in der nächsten Zeit erfolgen: Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld®), Molnupiravir und Sotrovimab sind derzeit bei der Europäischen Arzneimittelagentur in Überprüfung. Für Baricitinib (Olumiant®), Anakinra (Kineret®) und Tocilizumab (RoActemra®) wurde ein Zulassungsantrag eingereicht. Der Antrag für Bamlanivimab/Etesevimab wurde Ende Oktober 2021 zurückgezogen.