Diabetesrisiko bereits ab einem BMI von 23?

Nicht jedem hilft die gleiche Medizin. Auch für die Korrelation von BMI und Diabetesrisiko scheint es größere regionale Unterschiede zu geben, als bislang angenommen. Das hat Konsequenzen für Empfehlungen zu Vorsorgeuntersuchungen.

Prävalenz von Adipositas und Typ-2-Diabetes steigt

Aktuell haben in Deutschland mindestens 6,9 Millionen Menschen einen dokumentierten Typ-2-Diabetes und die Prävalenz steigt, wie auch der Deutsche Gesundheitsbericht Diabetes 2020 der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Diabetes-Hilfe betont (PDF). Die höchsten Prävalenzen weltweit haben derzeit Mexiko mit 13,5% und Südafrika mit 12,7% (Typ 1 und Typ 2, Stand 2019).

Um Folgeschäden zu reduzieren, sind Vorsorgeuntersuchungen wichtig. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt solche Vorsorgeuntersuchungen derzeit bei Personen im Alter ab 40 Jahren mit einem Body-Maß-Index (BMI) von 25 kg/m2 aufwärts. Ab diesem Wert gilt eine Person allgemein als übergewichtig.

Diese Schwelle könnte zu hoch angesetzt sein – zumindest in einigen Weltregionen, wie eine Auswertung von Gesundheitsdaten aus 57 Ländern nun andeutet, die kürzlich im Fachjournal Lancet veröffentlicht wurde. Für die Studie werteten Wissenschaftler aus Heidelberg und Boston Daten von mehr 680.000 Menschen aus. Die Datensätze umfassten neben Gewicht und Größe auch Diabetes-Biomarker wie Blutzuckerspiegel oder HbA1c-Wert. Vor allem Länder des globalen Südens unterscheiden sich teils deutlich von den bisher als Standard angenommenen Industrienationen.

Regionale Unterschiede größer als angenommen

Die wichtigsten Ergebnisse der internationalen Auswertung waren folgende:

  • Im Durchschnitt hatten Einwohner der untersuchten Länder bereits ab einem BMI von 23 kg/m2 ein erhöhtes Diabetes-Risiko.
  • Die Erkrankungsrate stieg bereits in der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen stark, bei Männern aus Ländern südlich der Sahara sogar schon im Alter ab 25 Jahren.
  • Der Wert, ab dem ein Diabetes-Screening effizient wäre, schwankte zwischen den Regionen und Geschlechtern zwischen 23,8 kg/m2 bei Männern in Ost- und Südostasien und 28,3 kg/m2 bei Frauen aus Zentralasien, Nordafrika, Lateinamerika und den Karibikstaaten.

Kommentar

Die Ergebnisse können dazu beitragen, das Diabetes-Screening in den betreffenden Ländern auf die Bevölkerung anzupassen, um Folgeschäden zu minimieren. Vor allem in Ländern mit niedrigem mittlerem Einkommen ist es wichtig, Kosten für unnötige oder zu späte Vorsorgeuntersuchungen sowie für die Behandlung von Folgeerkrankungen zu reduzieren.

Dennoch bleiben weitere Präventionsmaßnahmen wichtig. Hier ist eine gute Aufklärung zu Ernährung und Bewegung vonnöten, aber auch die Nahrungsmittelindustrie sollte noch stärker als bisher in die Pflicht genommen werden. Eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke ist nur ein erster Schritt.

Quelle

Teufel F, et al. Body-mass index and diabetes risk in 57 low-income and middle-income countries: a cross-sectional study of nationally representative, individual-level data in 685 616 adults. Lancet 2021;398:238–248. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(21)00844-8

Pressemitteilung des Massachusetts General Hospital vom 15. Juli 2021

Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg vom 16. Juli 2021