Postpartale Depression

Mehr als nur Babyblues

Postpartale Depressionen treten oft auf und können schwere Folgen für Mutter und Kind haben. Eine neue Substanz wurde nun speziell für diese Indikation getestet.

Eine postpartale Depression trifft 10 bis 15 % der Frauen nach der Geburt. Anders als bei den deutlich häufigeren Stimmungsschwankungen in den ersten Tagen nach der Geburt (50 bis 80%) kann eine postpartale Depression definitionsgemäß auch bis zu vier Wochen nach der Geburt beginnen. Wahrscheinlich können aber sogar depressive Episoden bis zu 12 Monate nach der Entbindung noch in Zusammenhang mit der Geburt stehen.

Die S3-Leitlinie Unipolare Depression kommt zu dem Schluss, dass die Evidenz für eine Antidepressiva-Behandlung in der Peripartalzeit begrenzt ist, aber zu den allgemeinen Ergebnissen zum Nutzen von Antidepressiva passt.

Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Trizyklische Antidepressiva (TZA) können zur Behandlung mittelschwerer bis schwerer postpartaler Depressionen nach ausführlicher Nutzen-Risiko-Abwägung auf Mutter und Kind angeboten werden.

Die SSRI Sertralin, Paroxetin und Fluvoxamin sowie das TZA Nortriptylin sind nur geringfügig oder nicht in der Muttermilch nachweisbar. Keiner der Arzneistoffe ist jedoch spezifisch für die postpartale Depression zugelassen.

Es besteht also ein gewisser Bedarf an speziell für diese Indikation prospektiv getesteten Medikamenten. Der neue Wirkstoff Zuranolon greift wie Benzodiazepine am GABAA-Rezeptor an. Das pharmakologische Profil und die Bindungsstelle unterscheiden sich jedoch von den Benzodiazepinen.

Zuranolon bei postpartaler Depression

Die Phase-III-Studie zu Zuranolon war doppelblind und randomisiert. Bei den eingeschlossenen Patientinnen (n = 153) war eine schwere depressive Episode im dritten Trimester oder innerhalb von vier Wochen nach der Geburt aufgetreten.

Sie erhielten ambulant für zwei Wochen

  • Zuranolon 30 mg/Tag oder
  • Placebo

Primärer Endpunkt war die Änderung auf der Hamilton Rating Scale for Depression (HAMD-17) im Vergleich zwischen Studienbeginn (ca. 28 Punkte) und Tag 15 der Behandlung. Sowohl unter Zuranolon als auch unter Placebo kam es zu einer relevanten Besserung (−17,8 vs. −13,6 Punkte). Der Vorteil der Zuranolon-Behandlung war statistisch signifikant. Die Wirkung trat bereits am dritten Tag der Behandlung ein und blieb auch in der Nachbeobachtungsphase (bis Tag 45) erhalten.

Jeweils eine Patientin in jeder Gruppe hatte ein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis (Zuranolon: verwirrter Geisteszustand, Placebo: Pankreatitis).

Kommentar

Es ist erfreulich, dass Studien speziell für die Indikation postpartale Depression aufgesetzt werden. Bei Zuranolon könnte es sich um eine wirksame Substanz dafür handeln. Zwar ist bereits der Placebo-Effekt recht groß, doch das ist bei Studien zu Antidepressiva durchaus üblich. Allerdings müssen sich die Ergebnisse noch in einer größeren Population bestätigen. Leider durften die Patientinnen der Studie ihre Kinder nicht stillen. Das ist bei einer neuen Substanz sinnvoll und richtig, aber nun fehlen diese Daten für Zuranolon. Gerade bei depressiven Patientinnen, die gegebenenfalls unter Versagensängsten leiden, könnte sich die psychologische Situation dadurch sogar noch verschlechtern.

Wichtiger als neue antidepressive Substanzen wäre aus meiner Sicht ein standardmäßiges Screening auf postpartale Depressionen. Für den Nutzen eines solchen Screening fehlt bislang die Evidenz, die Häufigkeit der Erkrankung und die schweren Auswirkungen ohne Behandlung auf Mutter und Kind sprechen aber dafür, entsprechende Studien aufzulegen.

Hebammen, aufmerksame Kinderärzte und einfühlsame Gynäkologen leisten hier sicher schon wertvolle Arbeit. Aber die psychische Gesundheit der Mutter steht bei keinem davon im Fokus. Häufig suchen sich Mütter aus Versagensängsten und Scham selbst keine Hilfe. Außerdem sind auch 5 bis 10% der Väter von einer postpartalen Depression betroffen.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) schreibt auf www.gesundheitsinformation.de, wo Familien Hilfe bekommen können.

Quellen

Deligiannidis KM, et al. Effect of Zuranolone vs Placebo in Postpartum Depression: A Randomized Clinical Trial. JAMA Psychiatry 2021 Jun 30. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2021.1559. Online ahead of print.

S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie: Unipolare Depression. 2. Auflage, 2015. Version 5. AWMF-Register-NR nvl-005