Immer mehr Menschen sind geimpft, die aktuellen Inzidenzzahlen auf niedrigem Niveau. Können wir jetzt wieder so leben wie vor der Pandemie? Der Wunsch nach Normalität ist verständlich, birgt jedoch Risiken.
Als wäre Corona vorbei
Tausende Fußballfans liegen sich in den Armen, es wird wieder gefeiert. Für immer mehr Menschen scheinen die AHA+L-Regeln keine Relevanz mehr zu haben. Abstand, Hygienemaßnahmen, Alltagsmaske, Lüften – wollen wir nicht mehr. Brauchen wir dank Impfung nicht mehr? Mit dem Status der vollständigen Impfung fühlen sich viele sicher. Die Empfehlungen von Wissenschaftlern, STIKO und Bundesregierung dagegen sind eindeutig: Allgemeine Schutzmaßnahmen sollten wir auch nach den COVID-Impfkampagnen einhalten.
Impfung ist kein Freibrief
Impfungen sind einer der wichtigsten Bausteine zur Eindämmung der Pandemie. Laut Lagebericht des Robert Koch Instituts (RKI) sind mittlerweile rund 43 % der Bevölkerung vollständig geimpft (Stand 13.07.2021). Und es werden mehr: Die Impfbereitschaft unter den Erwachsenen in Deutschland stieg laut einer aktuellen Befragung der European COvid Survey (ECOS) auf 73 Prozent.
Eine vollständige Impfung verhindert in der Mehrzahl der Fälle eine COVID-19-Erkrankung oder mildert zumindest bei einer Erkrankung die Symptome. Die Wahrscheinlichkeit, an dem Virus zu erkranken, ist für Geimpfte zwischen 70 und 95 Prozent geringer. Sie können sich aber trotzdem infizieren oder das Virus weitertragen. So ist ein größerer Corona-Ausbruch in einem Seniorenheim möglich, obwohl alle Bewohner geimpft sind – so geschehen in Leichlingen (NRW). Schnellltests sind daher auch für Geimpfte durchaus sinnvoll, beispielsweise vor Veranstaltungen, Restaurantbesuchen oder privaten Treffen. Das RKI sagt:
„Es muss davon ausgegangen werden, dass einige Menschen nach Kontakt mit SARS-CoV-2 trotz Impfung (asymptomatisch) PCR-positiv werden und dabei auch infektiöse Viren ausscheiden. Dieses Risiko muss durch das Einhalten der Infektionsschutzmaßnahmen zusätzlich reduziert werden.“
Zu früh für Entwarnung
Bis alle Impfwilligen ihren Vorsatz in die Tat umsetzen konnten und der maximale Impfschutz für einen Großteil der Bevölkerung besteht, werden noch einige Wochen vergehen. Darüber hinaus wird es weiterhin etliche Menschen geben, die nicht geimpft sind, beispielsweise Kinder. Zudem können manche Personen trotz Impfung keinen ausreichenden Immunschutz erzielen, etwa aufgrund bestehender medikamentöser Therapien oder Störungen des Immunsystems. Auch Senioren sind benachteiligt, denn mit zunehmendem Alter lässt die Fähigkeit für eine Immunantwort nach dem Impfen nach. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Variante B.1.617.2 oder auch „Delta-Variante“. Sie gilt als besonders infektiös und scheint potenziell schwerere Krankheitsverläufe zu verursachen. Welche Auswirkungen sie haben wird, ist noch unklar.
Eine Welt ohne Corona wird es wohl nicht mehr geben. Vor dem Hintergrund aktueller und eventuell zukünftiger Virusmutationen sowie der ungeklärten Frage, wie lange der Schutz von Coronaimpfstoffen eigentlich anhält, sind sich Experten einig: Impfungen allein werden nicht ausreichen, um die Pandemie einzudämmen. Die AHA+L-Regeln sind so wichtig wie zuvor.