Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) sieht in inhalativem Budesonid einen interessanten Forschungsansatz für die COVID-19-Therapie. Gerade daher sollte man keine Therapieempfehlungen aussprechen.
„ein Game Changer weil Studie gut gemacht wurde“
… twitterte Karl Lauterbach über die STOIC-Studie (wir berichteten). Hintergrund der Studie war, dass Asthma-Patienten entgegen der weitläufigen Meinung und Erwartungen keine COVID-19-Risiko-Patienten sind. Eine These lautet, dass die Medikamente der Asthma-Patienten dafür verantwortlich sind. Die Inhalation von Glucocorticoiden reduziert die Expression des ACE2-Rezeptors und erschwert so die Aufnahme des Virus in die Atemwege.
Mit der STOIC-Studie untersuchten die Forscher nun, ob das inhalative Glucocorticoid Budesonid auch bei Patienten ohne Asthma wirksam bei COVID-19 ist. Dafür unterteilten sie Patienten im Frühstadium in zwei Gruppen. Eine davon erhielt Budesonid. In dieser Gruppe verkürzte sich die Dauer der Symptome um einen Tag und die Häufigkeit von Arztbesuchen wurde reduziert.
„Schöne hypothesengenerierende Studie, leider vom Design her schlecht gemacht“
Bei einer Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) kritisierten die teilnehmenden Experten mehrere Punkte am Studiendesign.
- Nicht verblindete Studie: Es gab in der STOIC-Studie keine Placebo-Gruppe. Gerade auf subjektive Endpunkte wie die Symptomkontrolle könnte der Placebo-Effekt einen wesentlichen Einfluss gehabt haben.
- Keine Besserung objektiver Endpunkte: Die Sauerstoffsättigung und die Viruslast unterschieden sich unter Budesonid nicht signifikant von der Kontrollgruppe.
- Geringe Patientenzahl: An den beiden Gruppen nahmen jeweils nur 73 Personen teil.
- Unklare Relevanz für schwere COVID-19-Verläufe: Die STOIC-Studie zeigt zwar, dass seltener ein Arztbesuch unter Budesonid-Therapie nötig war. Es gibt aber keine Daten, dass schwere Verläufe oder Todesfälle tatsächlich verhindert wurden.
- Asthmatiker als Teilnehmer: 16% der Teilnehmer der Verum-Gruppe waren Asthmatiker und profitierten eventuell, weil sie unter den Studienbedingungen mehr Adhärenz für ihre Medikation zeigten. Das könnte die Studienergebnisse verfälscht haben.
- Dringende Arztbesuche aus anderen Gründen: In der Kontrollgruppe waren einige der gewerteten dringenden Arztbesuche nicht primär mit COVID-19 assoziiert.
Keine „Empfehlungen aus dem Bauch heraus“
Die Experten raten dringend von Off-Label-Verschreibungen für Budesonid bei COVID-19 ab.
In Österreich kam es bereits zu Lieferengpässen, was die Versorgung von Asthmatikern gefährden könnte. In der STOIC-Studie wurden zudem Höchstdosen inhalativer Glucocorticoide eingesetzt. Dadurch kann es zu systemischen Nebenwirkungen kommen.
Die Studie eignet sich daher nicht, um eine Therapieempfehlung auszusprechen. Sie kann aber sehr wohl Basis für weitere Untersuchungen sein. Dieser Unterschied muss besonders beim aktuellen medialen Interesse während der Pandemie bedacht und kommuniziert werden.
Quelle
Online-Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) „Mit Asthma-Medikamenten gegen COVID-19?“ (29.04.21). Referenten: Professor Dr. med. Michael Pfeifer, Professor Dr. med. Marek Lommatzsch, Univ.-Professor Dr. med. Marco Idzko, Professor Dr. med. Christian Taube, Priv.-Doz. Dr. med. Timo Wolf.