Sollen Kinder und Jugendliche mit Typ-1-Diabetes zunächst Insulin-Injektionen mit Spritze oder Pen erhalten oder schnell eine Insulinpumpe? Die Ergebnisse einer kürzlich im Fachjournal Lancet erschienenen Studie aus Deutschland sprechen für einen frühzeitigen Start der Insulinpumpentherapie.
Vermeiden täglicher Injektionen
Typ-1-Diabetes ist mit etwa 3100 Neudiagnosen pro Jahr die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter. In Deutschland sind etwa 32.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren von Typ-1-Diabetes betroffen.
Insulinpumpen geben über einen kleinen Schlauch und eine Nadel, die am Bauch unter der Haut steckt, in regelmäßigen Zeitabständen automatisiert Insulin in den Körper ab, um die Grundversorgung des Körpers zu decken (Basalbedarf). Zusätzlich benötigtes Insulin zu Mahlzeiten oder zur Korrektur hoher Werte (Bolus) lässt sich per Knopfdruck über die Pumpe abgeben. Die ansonsten mehrfach täglichen Injektionen lassen sich so vermeiden, was die Lebensqualität und Freiheit im Alltag verbessern kann. Auch spontanes Sporttreiben oder Essen ist mit einer Pumpe einfacher.
Dem gegenüber stehen auch verschiedene Nachteile: Die Insulinpumpe muss kontinuierlich am Körper getragen werden, Schlauchpumpen können nur für kurze Zeiten abgekoppelt werden – zum Beispiel zum Baden. Die Nutzer müssen sich gut mit dem Gerät auskennen, etwa was Hygiene und Tragedauer des Katheters betrifft, um Komplikationen zu vermeiden.
Doch zu welchem Zeitpunkt sollte eine Insulinpumpe eingesetzt werden? Dieser Frage widmeten sich kürzlich Forscher aus Deutschland. In ihrer Studie verglichen sie einen frühen Einsatz von Insulinpumpen (innerhalb der ersten sechs Monate nach Erstdiagnose) mit einem verzögerten Pumpenbeginn (im zweiten oder dritten Jahr nach Erstdiagnose).
Positive Effekte auf Blutzucker-, Blutdruck- und Cholesterinwerte
Kinder und Jugendliche, die rasch nach der Diagnose ihres Typ-1-Diabetes mit einer Insulinpumpe therapiert wurden, hatten im Vergleich zu Kindern mit verzögertem Pumpeneinsatz
- seltener lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisungen wie hyperglykämisches Koma (Risk-Ratio 0,44; p<0,01),
- weniger Krankenhausaufenthalte (Risk-Ratio 0,86; p<0,01) und
- signifikant günstigere Langzeit-Blutzuckerwerte (durchschnittlicher HbA1c 7,9 % [62,6 mmol/mol] versus 8,0 % [64,1 mmol/mol]; p<0,001).
Darüber hinaus waren bei frühzeitiger Insulinpumpentherapie die Blutdruck- und Cholesterinwerte besser. Der frühe Einsatz einer Insulinpumpe war nicht mit einer Gewichtszunahme verbunden.
„Insgesamt liefern unsere Ergebnisse klare Hinweise, dass ein früher Insulinpumpen-Einsatz bei Kindern mit Typ-1-Diabetes zu besseren Behandlungsergebnissen führt“,
fasste der an der Studie beteiligte Kinderendokrinologe und Diabetologe Dr. med. Thomas Kapellen die Ergebnisse in einer kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung zusammen.
Hintergründe zur Studie
Es standen Daten von 8332 Patienten aus 311 Diabeteszentren in Deutschland, Österreich, Schweiz und Luxemburg zur Verfügung. Die frühe Behandlungsgruppe umfasste 4004 (48 %) Patienten, die verzögerte Behandlungsgruppe 4328 (52 %). Die Patienten waren zum Zeitpunkt der Erstdiagnose zwischen sechs Monate und 15 Jahre alt. Die Erkrankungsdauer betrug im Schnitt 6,7 Jahre. Alle Patienten wurden mindestens ein Jahr lang mit einer Insulinpumpe therapiert.
An der Studie beteiligt waren unter anderem Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie (AGPD) und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).
Quellen
- Kamrath C, et al. Early versus delayed insulin pump therapy in children with newly diagnosed type 1 diabetes: results from the multicentre, prospective diabetes follow-up DPV registry. Lancet Child Adolesc Health 2021;5:17-25. doi: 10.1016/S2352-4642(20)30339-4. Epub 2020 Nov 27.
- Pressemitteilung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) vom 23. Februar 2021